Frömmigkeit.
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fange sehr schlecht; das begeisterte Volk übertrug meistens dem
geliebten Prediger selbst das Sehiedsrichteramt oder gar die Herr-
schaft in den streitenden Städten, wobei er denn die schnell erwor-
bene Gunst eben so rasch verlor und vom Schauplatz abtrat, auf
dem die unterbrochene Fehde von Neuem begann. Aber bei alle-
dem beweisen diese Hergänge doch eine höchst lebendige und
starke, wenn auch nicht durchbildete und stätige Religiosität des
Volkes.
Freilich
machte
die
leidenschaftliche Reizbarkeit der Phan-
tasie, welche sich hierin offenbart, nicht bloss für Wunder kirch-
lichen Styles, sondern auch für abergläubischc Meinungen aller
Art höchst empfänglich, und selbst die Aufklärung der Gebildeten
reichte keineswegs hin, sie davor zu bewahren. Indessen unter-
schied sich auch der Aberglaube der Italiener sehr wesentlich von
dem der gleichzeitigen nordischen Nationen. WVährend diese
hauptsächlich mit dem Teufel, also einem überirdischen Wesen
zu thnn haben, das als Versucher auch wieder eine Beziehung
auf die eigne Schuld des Menschen hat, beschäftigt sich die Phan-
tasie der Italiener mehr mit Vorzeichen, mit bösen Geistern, die
gewissen Regionen anhaften und also die Perscnilication ihres
schädlichen Einflusses sind, mit geheimen Kräften der Dinge und
allenfalls mit Zauberern und Hexen, welche sich diese Kräfte an-
geeignet haben. Ihr Wahn ist mit einem Worte mehr natura-
listisch und besteht grossentheils in abergläubischen Meinungen,
welche schon die alten Römer gehegt und selbst auf der Höhe
ihrer Bildung nicht abgelegt hatten, und die, gleich als ob sie am
Boden hafteten, noch heute in Italien vorkommen. Die ausgebilde-
teste Form solches Aberglaubens, die Astrol ogie, war grade in
Italien unter den Vornehmen höchst verbreitet, mehr als damals
in andern Ländern. Die Kirche betrachtete sie mit Misstrauen und
duldete nicht, dass sie aufihr Gebiet übergritfär), und alle ein-
ihn u. a. Raumer III. 645. Leo, Italien II. 258. Muratoxi Diss. 51 u. 78, und
über einen der spätesten solcher Friedensstifter, den Fra Venturino von
Bergamo (1334) Gio. Villani XI. c. 23.
Ü Cecco d'Ascoli, der sich unterfing, auch Christus das l-Ioroseop zu stellen
und daraus die Nothwendigkeit seines Kreuzestodes zu erweisen, wurde als
Ketzer verbrannt.