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Giotto
Lebensgeschichten, von denen nur noch je eines erhalten ist. Zuerst
das Gastmahl des Herodes, bei dem die Tochter, eine zarte, ju-
gendliche Gestalt, noch nicht, wie bei späteren Malern, einen ra-
schen Tanz ausführt, sondern eine Art Lyra im Arme einher-
schreitet, wobei sie von zwei jungen Hofleuten mit augenschein-
lichem Wohlgefallen betrachtet wird. Noch bedeutender ist das
andere Bild, der Tod des Evangelisten. Als er, so erzählt die
Legende, neunzigJahre altwar, erschien ihm derHerr und sprach:
Komme, Geliebter, zu mir, weil es Zeit ist, dass du an meinem
Tische mit deinen Brüdern speisest. Johannes wollte sogleich
folgen, aber der Herr sprach: Am Sonntage wirst du zu mir
kommen Da versammelte sich denn am Sonntage alles Volk in
der Kirche und vom frühen Morgen an predigte der Greis, er-
mahnte sie , im Glauben und in der Liebe zu bleiben, liess dann
am Altare eine Grube graben, in die er hineinstieg und darin
betete, worauf endlich helles Licht ihn den Augen der Menge ver-
barg, nach dessen Verschwinden die Grube leer, aber mit einer
fliessenden Mailnaquelle gefunden wurde. Die dichtende Phantasie
des Malers hat ergänzt, was jenes Licht verhüllte; Christus und
die Apostel biegen sich vom Himmel her dem greisen Apostel,
der den Tod nicht schauen sollte, entgegen, während er selbst
sich leicht und ohne gewaltsame Bewegung hebt, und das Volk
mit mannigfachem Ausdrucke der 'l'heilnahme, Verwunderung,
Freude ihm nachblickt
Die Fresken in der untern Kirche von Assisi über dem
Grabe des h. Franciscus werden wahrscheinlich bald nach dem
Bekanntwerden der göttlichen Comödie, etwa in den Jahren
1314-1322 ausgeführt sein, da bei dem einen derselben der
Maler offenbar Dante's Verse im elften Gesange des Paradieses
vor Augen hatte. Die Aufgabe bestand darin, das Gewölbe über
dem Grabe des Heiligen zu seiner Verherrlichung und zwar in
der Art zu benutzen, dass er als Muster in der Erfüllung der von
den Ordensbrüdern abznlegenden Gelübde gezeigt würde. So
Ü Fragmente der Frescogemälde aus der Geschichte Johannes des
Täufers, welche Giotto in der Kirche del Carmine zu Florenz malte, fand
Waagen in der Liverpool-Institution und beim Dichter Rogers. K. u. K.
W. I. 406, II. 390. Vas. a. a. O. S. 314.