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Giotto
aber dann der gute Joseph von bejahrtemBrautführer geleitet und
hinter ihm unter einer Schaar von züchtigen, paarweis gehenden
Mädchen die liebliche Braut, einsam, ohne Begleiterin zu ihrer
Seite, festen Schrittes, als eine, die nur der inneren Gottesstimme
folgt. Bei der Geburt und der Anbetung der Könige sind die
Motive im Wesentlichen die bekannten, obgleich sehr schön und
charakteristisch benutzt. Indessen kommen auch hier neue und
überraschende Ziige von grosser Wirkung vor. S0 auf der Prä-
sentation im Tempel, wo das Kind auf den Armen des greisen
Simeon zwar ganz getrost sitzt, aber doch die Hand wie spielend
der Mutter hinhält, die zärtlich und freudig die Arme nach ihm
ausstreckt. Zu den ausgezeichuetesten dieser Gemälde gehört die
Erweckung des Lazarus. Sie hat eine gewisse Verwandtschaft
mit der berühmten Compositioil Rembrandfs, indem auch hier der
Urheber des Wunders so gestellt ist, dass er sich in imponirender
Weise sondert, nur dass der schlichte Vortrag Giottds bloss
durch die Sache selbst, nicht durch das magische Spiel des Lich-
tes wirkt. Auf der einen Seite des länglichen Bildraumes steht
Christus auf erhöhtem Terrain, die mächtige Gestalt mit breiter
Gewandung in ganz ruhiger Haltung, nur der Arm und die auf-
gehobene Hand begleiten die Rede des geöffneten Mundes und
bekräftigen das Gebot: Lazarus, k0mm' heraus! Hinter ihm zwei
Jünger, beide an die wunderbare Kraft seines bVortes gewöhnt,
der eine ältere nur beobachtend, der andere jüngere in lebendige-
rer Spannung, mit dem aufgehobenen Finger der rechten Hand
auf den Auferstehenden hindeutend. Während Christus mit die-
sen Begleitern sich ruhig gegen die reine Luft absetzt, bildet auf
der andern Seite der aufsteigende Berg mit dem Grabe den Hin-
tergrund einer höchst bewegten Gruppe. Denn Während zwei
Jünglinge den abgehobenen Deckel des Grabes bei Seite legen,
steht der Verstorbene, von Tüchern umwickelt und mit abgema-
gertem, leichenähnlichem Antlitze schon aufrecht, umgeben von
einer Schaar von Männern, in denen sich die verschiedenstenEm-
piindungen malen. Ein furehtsamer Greis hält sich bedenklich
zurück und bedeckt den Mrmd, um nicht den Modergeruch einzu-
athmen, eine kräftigere Gestalt, zwar auch noch vorsichtig ver-
hüllt, unterstützt schon den Erweckten, den ein Dritter, anscheinend