Verhältnisse
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Kirche.
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Kirche unterwerfen Würde, mit einem schimpflicheti Begräb:
Bisse Man kann nicht sagen, dass die Päpste oder auch nur
die Mehrzahl der Geistlichen diese Missachtung verschuldet hat-
ten; im XII. und XIII. Jahrhundert waren jene meist bedeutende,
von ihrer Mission erfüllte Männer, standen diese unter strengerer,
wenigstens den äussern Anstand wahrender Disciplin. Zum Theil
war es die Nähe des heiligen Stuhles und die dadurch unvermeid-
liche Einmischung desselben in weltliche Händel, Welche ihm den
Nimbus entzog, den er in den Augen entfernter Völker hatte,
hauptsächlich aber jener antike Sinn, welcher die Religion alS
etwas Persönliches, und das politische oder bürgerliche Recht als
etwas davon Unabhängiges, Ursprünglicheres ansah. Man schied
früher als im Norden Kirche und Religiosität, und hielt es für
bürgerliche oder staatsmännische Pflicht, jener bei rechtlichen
Contlicten mit der äussersten Gleichgültigkeit entgegenzutreteu,
ohne darum weniger fromm und christlich gesinnt zu sein. Es
mag sein, dass bei den Gebildeten eben vermöge ihrer überwip-
gend praktischen Verstaudesrichtung und Aufklärung ketzerisc 1c
philosophische Ansichten oder doch eine innere Lauhcit gegen die
Kirche hier häuiiger vorkam, als im Norden. Dante lässt viele nann-
hafte und angesehene Personen als Ketzer in der Hölle büssen,
Yillani spricht von zahlreichen „Epicuräern" in Florenz, und
Petrarca beschuldigt die Philosophen seiner Zeit, dass sie "gegen
Christus und seine Lehre anbellten". Aber er scheint in dieser
Stelle in der 'I'hat nur von einigen Freigeistern in Venedig zu
sprechen und jedenfalls darf man diese Aeusseruug des XIV. noch
nicht auf das XIII. Jahrhundert beziehn. Das Vaterland des h,
Franciscus, des Thomas von Aquino und des milden und demü-
thigexi Kardinals Bonaventura konnte unmöglich unkirchlich sein,
und das rasche Gedeihen der Bettelorden, die stets Wachsenden
Reichlhümer der Kirche und die Schaaren der Pilger, welche zu
den Jubelfeiern nach Rom strömten, um sich Ablass zu gewinnen,
und deren Stimmung Giovanni Villani theilte und so schon schil-
derte, beweisen, dass jene Heroen mönchischer Frömmigkeit
keineswegs Ausnahmen waren. Die öffentliche Meinung war
Raumer,
Gesch.
Hohenstaufen (i.
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