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Italien
im
XIII.
Jahrhundert.
prüfen. YVir linden daher sehr frühe bestimmte, auf scharfsinniger
Beobachtung beruhende Berechnungen der Bevölkerung und der
Einnahmequellenä-t), und ein so wohl geregeltes Archivwesen,
dass wir noch jetzt über die damalige Verwaltung mancher klei-
nen italienischen Stadt genauere aktenmässige Nachrichten haben,
als über sehr viel näher liegende Epochen manches grosseu
Reiches M).
Neben jener Fehdelust und Unruhe finden wir daher eine
nüchterne Klugheit und eine fast moderne Auffassung des Staates,
welche jener das Gleichgewicht hält. Diese Gegensätze äussern
sich auch in dem Verhältnisse der Städte gegen die Kirche. Von
der Begeisterung oder doch Unterwürtigkeit gegen den heiligen
Stuhl, die sich in den nordischen Ländern so lange erhieltfist hier
keine Spur. Während die Päpste dort die Throne zu erschüttern
und den WVillen der mächtigsten Könige zu beugen vermochten,
widersteht ihnen hier nicht bloss die aufsätzige Bevölkerung von
Rom, sondern selbst die kleinste Commune. Guelfen und Ghibel-
linen machen darin keinen Unterschied; auch die guelfische Partei
steht zum Papste nur in einer politischen Bundesgenosseusehaft,
die Städte ertragen daher die Excommunication oft jahrelang und
wenden gegen die Geistlichen bürgerliche Zirvangsmittel an.
Wenn diese zu den gemeinen Bedürfnissen nicht beisteuern wol-
len, lässt die Stadtbehörtle mit Gewalt die Kirchenkasse öffnen,
wenn sie, um dem zu entgehn, mit den Kirchenschätzen tlichn,
verfolgt man sie wegen Diebstahls rät-W). Die Stadt Parma verbot
einmal bei einem Streite mit dem Bischofe (1219) den Bürgern,
mit den Geistlichen Verträge zu schliessen oder ihnen Lebensmittel
zu liefern, sie bedrohete den, der sich auf dem Todbette der
Ü VglfGio. Villani Lib. XI. c. 90-93 die Schilderung des Reichthums
von Florenz, und L. X. c. 166 wie man ein zufällig dargebotenes Mittel be-
nutzt, um die (auffallend grosse] Zahl der Bettler und verschämten Armen zu
erfahren. Noch genauere statistische Nachrichten geben der Anonymus de
laudibus Papiae und Galvanus Flamme. in seinem Manipulus florum (beide in
Muratori Scr.) für Pavia und Mailand.
M] Welche mächtige Stadt Deutschlands oder Frankreichs kann sich auch
nur annähernd so genauer urkundlicher Nachrichten rühmen, wie das Archiv
von S. Gimignano sie für Pecorfs schon eingeführtes Werk geliefert hat.
Leo, Geseh. v. Ital. II. 935. Pecori a. a. O.