Giovanni
Pisano.
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der in WVolken dem Propheten erscheint, um ihm Worte des
Trostes für das Volk in den Mund zu legen, den Brand von
Jerusalem, die Verheissung der Geburt des Immanuel, wo sich
neben dem Kindbette der Jungfrau Löwen und Widder friedlich
eingefunden haben, endlich die Kreuzigung, den leidenden Messias
u. a. Aber Vieles bleibt hier dunkel, vielleicht auch durch die
Mängel der Ausführung. Der Hand Giovannfs entspricht am
meisten der dritte Pfeiler, die Geschichte Christi; hier kommen,
wie schon erwähnt, die Reminiscenzen an väterliche Compositio-
nen vor, hier ist dieselbe Innigkeit des Ausdruckes, dieselbe
Leidenschaftlichkeit des Tragischen wie auf den Reliefs von Pi-
stoja. Bei der Darstellung des jüngsten Gerichtes auf dem vierten
Pfeiler könnte man den deutschen Gehülfen, deren sich Giovanni
nach der Angabe VasarPs bei den Arbeiten dieses Domes be-
diente, einen Antheil zuschreiben. Die Art, wie die Auferstehen-
den dargestellt, wie die Verdammten, von langer Leine um-
schlossen, der Hölle zugeführt werden, erinnert in manchen
Einzelheiten an die gleiche Darstellung an nordischen Kathedra-
len. Die Ausführung zeigt aber wieder dieselbe Schule, wie die
andern drei Pfeiler; die Körper sind in den Verhältnissen etwas
zu kurz, in den Details überladen, aber die Mienen und Bewe-
gungen voller Ausdruck mannigfaltigster Empfindungen.
Ueberblicken wir die Werke dieses Meisters, so erkennen
wir ein gewaltiges, eifriges Streben, dem aber noch die ausrei-
chenden Mittel fehlen. Er Will vor Allem geistige Wahrheit,
möglichst genaue und ergreifende Darstellung, er will in das
Seelenleben, in die Leidenschaften einführen. Aber bei der vollen
körperlichen Durchbildung, welche die Plastik erfordert, reichten
dazu seine Kenntniss des menschlichen Körpers und andere Vor-
studien nicht aus, und er verfiel in Härten und [leberladung,
welche den unmittelbaren Erfolg seiner Werke beeinträchtigen.
Um so bedeutender war der mittelbare. Sein energisches
Vorgehen hatte dem Bedürfnisse der Zeit Gestalt gegeben , und
das Künstlerauge erkannte grade durch die Mängel seiner Dar-
stellung um so deutlicher, worauf es ankam. VVas für die Sculp-
tur zu schwer gewesen, konnte die Malerei schon eher erreichen,
ihr gehörte daher der glückliche Meister an, dem es gelang, die