Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das Mittelalter Italiens und die Grenzgebiete der abendländischen Kunst (Bd. 7 = [2], Bd. 5)

Giovanni 
Pisano. 
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der in WVolken dem Propheten erscheint, um ihm Worte des 
Trostes für das Volk in den Mund zu legen, den Brand von 
Jerusalem, die Verheissung der Geburt des Immanuel, wo sich 
neben dem Kindbette der Jungfrau Löwen und Widder friedlich 
eingefunden haben, endlich die Kreuzigung, den leidenden Messias 
u. a. Aber Vieles bleibt hier dunkel, vielleicht auch durch die 
Mängel der Ausführung. Der Hand Giovannfs entspricht am 
meisten der dritte Pfeiler, die Geschichte Christi; hier kommen, 
wie schon erwähnt, die Reminiscenzen an väterliche Compositio- 
nen vor, hier ist dieselbe Innigkeit des Ausdruckes, dieselbe 
Leidenschaftlichkeit des Tragischen wie auf den Reliefs von Pi- 
stoja. Bei der Darstellung des jüngsten Gerichtes auf dem vierten 
Pfeiler könnte man den deutschen Gehülfen, deren sich Giovanni 
nach der Angabe VasarPs bei den Arbeiten dieses Domes be- 
diente, einen Antheil zuschreiben. Die Art, wie die Auferstehen- 
den dargestellt, wie die Verdammten, von langer Leine um- 
schlossen, der Hölle zugeführt werden, erinnert in manchen 
Einzelheiten an die gleiche Darstellung an nordischen Kathedra- 
len. Die Ausführung zeigt aber wieder dieselbe Schule, wie die 
andern drei Pfeiler; die Körper sind in den Verhältnissen etwas 
zu kurz, in den Details überladen, aber die Mienen und Bewe- 
gungen voller Ausdruck mannigfaltigster Empfindungen. 
Ueberblicken wir die Werke dieses Meisters, so erkennen 
wir ein gewaltiges, eifriges Streben, dem aber noch die ausrei- 
chenden Mittel fehlen. Er Will vor Allem geistige Wahrheit, 
möglichst genaue und ergreifende Darstellung, er will in das 
Seelenleben, in die Leidenschaften einführen. Aber bei der vollen 
körperlichen Durchbildung, welche die Plastik erfordert, reichten 
dazu seine Kenntniss des menschlichen Körpers und andere Vor- 
studien nicht aus, und er verfiel in Härten und [leberladung, 
welche den unmittelbaren Erfolg seiner Werke beeinträchtigen. 
Um so bedeutender war der mittelbare. Sein energisches 
Vorgehen hatte dem Bedürfnisse der Zeit Gestalt gegeben , und 
das Künstlerauge erkannte grade durch die Mängel seiner Dar- 
stellung um so deutlicher, worauf es ankam. VVas für die Sculp- 
tur zu schwer gewesen, konnte die Malerei schon eher erreichen, 
ihr gehörte daher der glückliche Meister an, dem es gelang, die
	        
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