Duccio
di
Buoninsegna.
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eines fremden Styls ein gewisses Verständniss und daher eine,
wenn auch nur bedingte Verwandtschaft voraus und diese styli-
stische Mannigfaltigkeit wäre nicht möglich gewesen, wenn die
italienische Nation nicht in allen jenen fremden Leistungen etwas
ihrem VVesen Entsprechendes gefunden hätte, das Sie durch den
Gebrauch sich zu accomodiren oder nach ihren dadurch näher be-
stimmten Bedürfnissen umzugestalten hoffen durfte. Abgesehn
von der gothischen Architektur, deren V erständniss bei den Ita-
lienern immer nur ein oberflächliches war und die sie nur vermöge
ihrer sehr geringen Ansprüche an architektonische Strenge und
Consequenz so lange beibehielterl, standen aber jene anderen, den
darstellenden Künsten zum Vorbilde dienenden Kunstweisen ver-
möge der auch im Byzantinischen erhaltenen antiken Ueberreste
einander so nahe, dass ihre Verschiedenheiten fast nur die ver-
schiedenen Seiten des italienischen Charakters, das kirchlich-
christliche Element und dann wieder die republikanische Sinnes-
weise zu repräsentiren schienen. Aber freilich wie im Leben bil-
deten diese Elemente auch in der Kunst einen fast allzu starken
Gegensatz. WVenn der antike Zug und die republikanische Stim-
mung den Italienern Sinn für ruhige, gesetzliche Haltung und ge-
sunde Kraft gaben und ihnen daher ein Ideal von Schönheit,
Hoheit und Mässigung verzeichneten, das sie in den antiken Sculp-
turen am meisten verwirklicht fanden, forderte ihr kirchlicher
Sinn zwar zunächst etwas Aehnliches, nämlich ein Hohes, Impo-
nirendes, das die Vorstellung des Göttlichen erwecke. Allein zu-
gleich bedurfte der kirchliche Zweck, besonders dem auflösenden,
selbstsüchtigen und sinnlichen Individualismus gegenüber, einer
herben Strenge, eines lehrhaften, emsten Wesens, eines star-
ken Ausdrucks des Leidens, dcr selbst rohe Gemüther ergreife,
wie dies alles die byzantinische Kunst in einem gewissen Ueber-
maasse gewährte, während andrerseits der antikische Sinn und
der befriedigte republikanische Patriotismus danach streben musste,
sinnliche Schönheit, schmeichelnde Anmuth, lebensvolle und
lebensfrohe Aeusserungen anzuschauen, wofür die antiken Bild-
werke vortreffliche Vorbilder gaben. Daher anfangs das Schwan-
ken zwischen beiden Gegensätzen. Wenn Giunta Pisano und
einige seiner Zeitgenossen im Gegensatze gegen das Apathische