Giunta
Pisano.
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Knochen eingefallen, die Rippen sind tief eingefurcht, Arme und
Beine schwächlich und dürre. Die Modellirung ist durch ver-
einzelt neben einander gestellte dunklere und hellere Pinselstriche
bewirkt, die ganze Ausführung sorglich, aber mühsam, die Farbe
endlich dunkel, in das Bräunliche und Graue spielend. Griechi-
scher Einfluss ist unziveifelhaft; er zeigt sich in eben dieser
Farbe mit ihrem zähen Bindemittel, in dem symmetrisch geord-
neten, fein gestrichelten Haar, in dem traditionellen Bemühen,
dem Körper eine gewisse Rundung und anatomische Ausführ-
lichkeit zu gebend). Alles dies, der Ausdruck dumpfen sinn-
lichen Leidens und diese leblose und deshalb leichenhafte Aus-
führlichkeit, der itlangel an Schönheitssinn und V erstänilniss der
Natur sind uns sehr unerfreulich. Aber es ist wohl begreiflich,
dass diese Darstellungsweise auf härter gewöhnte Gemüther
Wirken, ihnen ein wohlthätiges Gefühl der Rührung und Ehr-
furcht geben, und besonders im Vergleich mit den steifen und
ausdruckslosen Gestalten der bisherigen Kunst als ein Fortschritt
erscheinen konnte. YVir können daran erkennen, Wodurch sich
die byzantinische Kunst den Italienern empfahl; sie gab statt der
rohen und gleichgültigen Unbestimmtheit der bisherigen Malereien
feste, geregelte, gleichbleibende Formen und eine Anregung des
religiösen Gefühls, deren sie in der damaligen Stimmung der Ge-
Inüther bedurften; sie War ihnen, trotz der Verkümmerung und
Erstarrung, die sie besonders in der schwierigeren Technik der
Tafelmalerei annahm, zusagender als die bisherige Leere.
Andre beglaubigte Gemälde Giunta,s besitzen wir nicht,
Zwei Schriftsteller des Franciscanerordens, Wadding und der
Padrc Angeli, erzählen, muthmasslich nach mündlicher oder
schriftlicher im Kloster zu Assisi erhaltener Tradition, dass er im
Chore der dortigen Oberkirche Wandgemälde ausgeführt habe.
Namentlich schreiben sie ihm eine Kreuzigung mit umhertliegen-
den Engeln und eine Assumtion der Jungfrau zu, und Agincourt
hat mehrere dieser Malereien in seinem Werke unter dem Namen
Giuntals stechen lassen. Die meisten derselben sind seitdem so
f] Vgl. ausser den schon angeführtemAbbildungen bei Ramboux und
Roßlfn die freilich sehr unvollkommene bei Morrona und das Bild aus S. M.
degll Angeli ganz klein bei Aginc. tab. 102 Nro. 7.