Guelfen
und
Ghibeflinen.
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rern aus dem Adel selbst oder aus dem höhern Bürgerstande
fehlte es dabei nie, und da die ganze Bürgerschaft mehr oder we-
niger militärisch organisirt war, war es leicht, sie mit Hülfe ihrer
Capitäne, Viertelsmeister oder Zunfthäupter zu den VVaifen zu
rufen und so plötzliche Aenderungen durchzusetzen. Diese
Strassenkämpfe waren zwar selten so anhaltend wie die Fehden
des Adels, aber doch oft blutig, und endeten gewöhnlich mit har-
ten, oft grausamen Verfolgungen gegen die unterliegende Partei,
die dann wieder nach kurzer Zeit eben so leidenschaftliche Reactio-
nen hervorriefen. Man verfuhr dabei höchst rücksichtslos; Ver-
bannung ganzer Geschlechter, Zerstörung und Plünderung ihrer
Häuser, Confiscation ihrer Güter waren gewöhnliche Maass-
regeln. Nicht selten wurden auch alle adeligen oder doch die
mächtigsten Familien von allen bürgerlichen Aemtern ausge-
schlossen, und nach einem Siege der demokratischen Partei in
Florenz im Jahre 1291 ging eine Reihe von so harten und unge-
rechten Bestimmungen gegen den gesammten Adel durch, dass
hunderte seiner Familien es als eine Gunst nachsuchten, in das
Volk aufgenommen zu werden k). Freilich konnten die Einsich-
tigen die Uebel dieser Unruhen und die daraus auch für die Frei-
heit entstehende Gefahr sich ilicht verhehlen; sie strebten daher
danach, eine Verfassung zu finden, welche die billigen Wünsche
aller Klassen befriedige und bleibende Ruhe schaffe. Allein die
Umstände und Leidenschaften spotteten ihrer Berechnungen; jede
dieser Verfassungen bot schwache Seiten, verletzte irgend welche
Interessen, und wurde schnell von einer andern verdrängt, die
bald dasselbe Schicksal hatte. Es kam frühe dahin, dass, wie
Dante seiner Vaterstadt spottend nachsagt, das Gewebe Solcher
Satzungen so fein twar, dass es im October gesponnen nicht bis
zum November dauerte WF).
Dazu kam dann, dass in diese innern Zwiste und äussern
Fehden der Städte stets die grossen öffentlichen Verhältnisse
hineinspielten, indem von den streitenden Parteien jedes Mal die
Muratori Diss. 52; Villani lib. XII. O. 22.
4') Purgat. VI. 142. Die höchste Steigerung dieser Verfassungsmacherei
erlebte Dante nicht einmal. In dem einen Jahre 1343 wechselten in Florenz
wirklich vier verschiedene Verfassungen. Gio. Villani XII. 19.