324
Anfänge
italienischer
Sculptur.
Engel im Innern von grosser Kühnheit der Conception und hold-
seligster Anmuth, und auch die Reliefs recht erfreulich und schön.
Durchweg zeigen sich unverkennbare Anklänge an den Styl
Niccolöis, die gedrungene Körperbiltlung, die volle fleischige Be-
handlung des Nackten an Adam und Eva, überhaupt eine ge-
wisse Frische, Fülle, selbst Derbheit, besonders aber das Gefühl
für das Ganze der Erscheinung, das grade den frühern Meistern
so sehr gefehlt hatte. Viel bedeutender ist dann ein zweites
NVerk, das Denkmal des Cardinals Wilhelm de Braye zu S. D0-
menico in Orvieto, an dem sich Arnolfo wiederum, doch nun ohne
Gehülfen nennt k). Die Anordnung ist die, welche sich grade um
diese Zeit, wie es scheint von der Pisauer Schule ausgehend,
weit über Italien ausbreitet; der Verstorbene liegt auf einer Bahre
oder einem Paradebett, während Engel zu Häupten und Füssen
stehend die Vorhänge desselben aufheben, darüber aber entweder
auf der Wand unter dem das Ganze einrahmenden Spitzbogen
musivisch, oder wie es hier der Fall ist auf einem zweiten Vor-
sprunge statuarisch, die Aufnahme des Verstorbenen im Himmel
dargestellt ist. Wir sehen hier die Jungfrau lhronend, neben ihr
St. Petrus und St. Dominicus stehend und endlich den knieenden
Cardinal. Vor allem ist die Jungfrau schön; von kräftigem Bau,
in würdiger Haltung, die rechte Hand auf der Kugel des Stuhl-
pfostens ruhend, erinnert sie noch an jene junonischen Gestalten
Niccolifs, ist aber dabei mütterlicher, inniger. Auch das Kind,
etwas klein, aber mit lehrend vorgestreckter rechter Hand und
zurückgebogeilem Kopfe frei und würdig sitzend, entspricht dem
Gedanken sehr wohl und die Engel sind sehr lieblich. Es herrscht
in dem Ganzen eine wirklich grossartige und doch wieder sehr
schlichte Auffassung. Musivischer Schmuck und die gewundenen
3') Hoc opus fecit Arnolfus; leider auch ohne Jahreszahl der Arbeit.
Nach Gicognam ist der Cardinal de Braye am '27. April 1280 gestorben und
Förster giebt in seinem Reisehandbuche die Zahl 1'282 an. Die von 1290
(vgl. die Herausgeber des Vasari I. 256) beruht nur euf der Vermuthung
des Padre della Valle, der Amolfo einen Antheil an den Reliefs der Fagade
des Domes zuschreiben will, und eine moderne Inschrift in S. Domenico
selbst über einer viel spätem Soulptur: Hoc opus sculpsit Arnolfus 1294,
lässt sich, wenn man sie auf jenes Grabmonument beziehen wollte, mit Ar-
nolfo's Bauthätigkeit in Florenz nicht wohl vereinigen.