Niccolö
Pisan o.
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Weise nur für sechs Felder gesorgt war, noch einer ganz neuen
Composition, für welche er den bethlehemitischen Kindermord
wählte und, um den andern Feldern nicht nachzustehen, durch
sehr zahlreiche, im starkem Relief hervortretende, aber freilich
nicht klar geordnete Figuren darstellte. S0 viel ist also gewiss,
dass die grössere Klarheit und Einfachheit der Compositionen,
welche das Grabmal des h. Dominicus im Vergleich mit der pisa-
ner Kanzel zeigte, nur durch die Verschiedenheit der Aufgabe
oder die Beschränkung der Mittel, nicht durch einen Fortschritt
oder eine Geschmacksänderung bedingt War. Mit der Darstellung
jener höchsten Hergänge und mit der Anforderung reicherer Aus-
führung tritt nicht nur dieselbe gedrängte Fülle, sondern eine noch
stärkere ein, Welche das Auge verwirrt und kaum mehr plastisch
zu beherrschen ist. In gewisser Beziehung bemerken wir einen
Fortschritt; der Ausdruck der Gesichter ist inniger, lebendiger,
mannigfaltiger als in Pisa, die Durchbildung des Einzelnen, nament-
lich des Körperbaues, die Kenntniss plastischer Mittel gefördert.
Selbst die antiken Motive, obgleich sie seltener sind, sind zum
Theil reiner, mit grösserem Verständniss behandelt. Aber dabei
ist die Neigung zu derben Formen, kurzen Verhältnissen,
schweren Gewändern geblieben und giebt den Versuchen detail-
lirter Ausführung oder charakteristischen Ausdrucks oft etwas
Unbeholfenes oder Uebertriebenes, das mit den Zügen antiker
Hoheit und Ruhe, die sich hier Wiederholen, nicht in Einklang
Steht. Mit einem Worte unser Meister hat den Höhepunkt seiner
Kunst schon hinter sich.
Bei dem letzten grossen Werke, an dem Nicolaus thätig
war, an den Sculpturen des Brunnens zu Perugia , wird der An-
lheil seines Sohnes wohl grösser sein als der seinige"-'). Es ist
ein reich ausgestattetes Werk. Unten, an ziemlich ungünstiger
Stelle, umgeben das grosse Becken fünfzig Tafeln mit ziemlich
flachen Reliefs, meist einzelne Gestalten, die Sternbilder und Monate,
Ü Vasari (a. a. O. S. 269) schreibt sie dem Giovanni allein zu, während
"die. schon angeführte Inschrift die Theilnahme beider ergiebt. Vergl. Le
Sculture di Niccolö e Giovanni da. Pisa e di Arnolfo fiorentino, che ornano
1a fontana maggiore di Perugia, disegnate e incise da Silvestro Massari e
descritte da. G10. Batista Vermiglioli, Perugia 1834 in 4. mit 80 Kupfertafeln.