Niccolö
Pisano.
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neten. Auch war vielleicht schon aus ökonomischen Gründen
eine sparsamere Anordnung geboten. Vor allem aber waren die
Gegenstände ganz andrer Art; es Waren Ereignisse, die nur vor
einem Menschenalter vorgefallen und noch von keiner Künstler-
hand behandelt waren, die daher, wenn auch Wunder enthaltend,
nicht den Nimbus des Ueberirdischen hatten, sondern im Costüme
des Tages gedacht wurden, bei denen endlich nicht göttliche Per-
sonen, sondern demüthige Bettelmönche die Hauptrolle spielten.
Hier war daher jene antike Hoheit nicht angebracht, sondern das
beobachtende Auge des Meisters auf die Natur, die anordnende
Phantasie auf das Einfache angewiesen. Er hat schon den Be-
griff des Reliefs anders gefasst; die Figuren haben nicht die
starke Ausladung, wie die vorderen auf der Kanzel von Pisa, die
Compositionen füllen nicht das ganze Feld bis obenhin, sondern
bestehn aus klar gesonderten Gruppen, bei denen auf die De-
taillirung und das Costüm näher eingegangen und alles sauberer
ausgearbeitet ist. Aber abgesehen von diesen Verschiedenheiten
kann man nicht fehlen, den Meister wieder zu erkennen. Beson-
ders gilt dies von dem einen Seitenrelief, welches wieder mehrere
Hergänge verbindet. Man sieht nämlich zuerst die Fürsten der
Apostel, Petrus und Paulus, welche dem vor ihnen knieenden
Ordensstifter das Evangelienbuch und einen Stab, die Zeichen des
Berufes wandernder Prediger, übergeben, und dann noch ein Mal
den Ordensstifter, der die Bücher seinen Brüdern austheilt. Hier
sind nun zunächst die Apostel noch ganz im Style der Reliefs von
Pisa, namentlich ist die Bildung der bärtigen Köpfe und des Hal-
ses, so wie der Wurf der antiken Gewänder noch ganz ebenso.
Auch bei den Mönchen ist der GewandstoK so schwer und die
llildung der Köpfe so kräftig wie dort, aber die Anschauung der
Wirklichen Ordensbrüder, wie sie in der Kaputze stecken und Kopf
und Nacken an eine gebeugte Haltung gewöhnt haben, hat diese
Formen schon etwas modificirt. Vielleicht war dies Relief das
erste, denn bei den andern finden wir unsern Meister noch mehr
auf die Eigenthümlichkeit der neuen Aufgabe eingegangen, er hat
sich noch mehr in das Costüln seiner Zeit, in die edle Einfachheit
und Natürlichkeit eingelebt, welche diese Legende erforderte. Be-
Senders gelungen ist in dieser Beziehung die Scene , wo der