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Anfänge
italienischer
Sculptur.
phags, die nicht aus dem Leben des Ordensstifters selbst, sondern
aus dem seines Schülers, des h. Reginald, genommen sind, und
die Statuetten der vier Kirchenväter auf den Ecken allein zuzu-
schreiben sind, da sie längere Körperverhältnisse und andre Ge-
wandbehandlung zeigen und überhaupt bedeutend schwächer sind
als die Arbeiten des Meisters Dagegen entsprechen die beiden
Reliefs der Vorderseite und die der schmaleren Seitenwände der
Urne, sämmtlich aus dem Leben des Heiligen selbst entlehnt,
völlig dem Geiste Niccolifs, und wenn man die Verschiedenheit
der Aufgaben in Rechnung bringt, auch dem Style der Kanzel
von Pisa. Bei dieser, wo er das Leben und die Zukunft Christi,
den Gottessohn, die Mutter Gottes, das jüngste Gericht, also die
höchsten Gegenstände, das unendlich oft Dargestellte aufs Neue
darzustellen hatte, glaubte er alles aufbieten zu müssen, um die innere
Kraft dieser Momente, die göttliche Hoheit der Gestalten in volles
Licht zu setzen, und er entlehnte dabei, da ihn seine christlichen
Vorgänger nicht befriedigten, auch Züge der Anordnung und be-
sonders der persönlichen Würde von den antiken Werken, die ihm
vor Augen standen. An der Arca von Bologna hatte er einmal
bedeutend kleinere Fehler, welche ihm auch für die im Vorgrunde
stehenden Gestalten nur etwa die Höhe von einem Fusse gestatte-
ten und sich also für die perspectivische Ueberordnung mehrerer
Gestaltenreihen, wie er sie in Pisa angebracht hatte, nicht eig-
Sarkophage näher feststellen, und sagte zu diesem Zwecke, „welchen sie,
nämlich Meister Niccolö von Pisa, fder berühmtere (denn das soll wohl der
Comparativ von Polyclet andeuten], vereint mit unserm genannten Bau-
meister, gearbeitet hatten". Diese etwas schwierige Construction wurde dann
von dem Abschreiber nicht verstanden, welcher gedankenlos dem Plural:
sculpserant nun auch den Plural: Magistri folgen lassen zu müssen glaubte.
Förstefs Urtheilen über das Stylistische der Sculptur kann ich übrigens
(ebenso wie schon Gaye im Kunstbl. 1839 Nro. 22) keinesweges beipliichten
und sie mir zum Theil nur dadurch erklären, dass er die verschiedenen
Theile der Arca nicht gehörig unterschied und, das Ganze als das Werk
einer Hand betrachtend, durch den Vergleich mit der Kreuzabnahme von
Lucca sich in die Ansicht hineindachte, dass die Arca von einem andern
Meister sein müsse.
Vergl. die ausführliche Beschreibung des ganzen Monuments bei
Marchese a. a. O. S. 73 ff. Abbildungen einiger Theile desselben bei
Cicognara Taf. 8-11.