Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das Mittelalter Italiens und die Grenzgebiete der abendländischen Kunst (Bd. 7 = [2], Bd. 5)

liche, baumartige Schnörkel gefüllt. Der junge Nieeolb hat diese 
Sprödigkeit zu beseitigen und die Motive zu der lebendigen, ge- 
drängten Handlung eines Moments zu vereinigen gewusst. Die 
Füsse sind statt mit zwei Nägeln nur mit einem befestigt, wo- 
durch die Linie des Körpers eine viel freiere und bewegtere ge- 
worden und die Möglichkeit gewonnen ist, den Nebengestalten 
ziemlich gleiche Dimensionen zu geben. Joseph von Arimathia 
steht nun nicht mehr auf der Leiter, sondern auf dem Boden, 
Maria, Johannes, der hier knieend dargestellte Nicodemus bilden 
durch volle Gewandung kräftige Massen mit angemessener Fül- 
lung und Theilung des Raums, und ausserdem hat unser Künstler 
noch fünf Nebenliguren, dort zwei Frauen, hier drei Männer, 
darunter, wie es scheint, den Centurio angebracht, und indem er 
die beiden äussersten knieend darstellte, der Lunette des Portals 
vortrefflich eingefügt. Einen unmittelbaren Zusammenhang beider 
Werke oder ein Schulverhältniss beider Meister darf man daraus 
nicht folgern; es liegt ein halbes Jahrhundert und eine, einem 
solchen Zeitraume entsprechende Verschiedenheit der Anschauun- 
gen zwischen ihnen. Die Motive jenes florentinischen Bildwerks 
waren ziemlich nahe liegende, typisch festgestellte und gewiss 
oft wiederholte. Aber die Vergleichung ist dennoch sehr lel1r- 
reich, weil sie zeigt, wie auch ein Künstler, der von einer Jahr- 
hunderte lang inne gehaltenen Richtung abwich und einen weitab 
führenden VVeg einschlug, dennoch von der Tradition ausgehn 
musste und mit der Kritik und Verbesserung ihrer Leistungen 
begann. Genaue Naturstudien hat er noch eben so Wenig ge- 
macht, wie seine Vorgänger; hatten diese ihre Figuren zu lang 
gebildet, so gab er ihnen etwas zu kurze, keinesweges immer 
richtig durchgeführte Verhältnisse. Noch Weniger kann von einer 
Wirklichen Nachahmung der Antike die Rede sein, keine-einzige- 
Gestalt verräth eine solche. Er sucht nach einem Ausdrucke des 
Schmerzes, den die Antike nicht hatte, und fährt fort, denselben 
nach dem Beispiele seiner Meister in unplastischer Weise durch 
eingezeichnete Linien in den Gesichtern anzudeuten. Aber ÜHSS 
er das Bedürfniss grösserer Naturwahrheit und Naturkraft hatte, 
und dass die vollere Bildung und Gewandung der Gestalten und 
die gedrängte Anordnung römischer Sarkophagreliefs ihn an- 
20 a"
	        
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