Sculpturen
am
Baptisterium
Zll
Parma.
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genug, dass man die Warnung vor sinnlichem Leichtsinn und
die Hinweisung auf Tod und Hölle an dieser Stelle lieber in diese
poetische Form kleidete, als in hergebrachte kirchliche Symbole.
Ob der Gedanke von dem Bildner selbst ausging, muss freilich
dahingestellt bleiben, allein die Kühnheit der Wahl eines so flüch-
tigen Momentes und die sehr geschickte Weise, mit der er die Er-
zählung den Anforderungen des halbkreisförmigen Feldes und
plastischer Anschaulichkeit anzupassen wusste, sprechen offenbar
dafür. Auch ist des Mystischen damit noch nicht genug. Denn
unter diesem Bilde auf dem Querbalken des Portals finden sich
drei Medaillons, von denen das eine das Lamm, das andre
die Gestalt Johannes des Täufers, das mittlere aber einen Mann
mit Bart und Krone darstellt, auf dessen geöffnetem Buche man
die Worte liest: Ego sum Ph aeton. Man wird nicht zweifeln
können, dass dieser Gekrönte trotz seiner Stellung zwischen dem
Symbol Christi und dem Täufer wirklich den vermessenen
Sohn des Helios bedeutet, und dass also jener dem unfehlbaren
Sturze ausgesetzte Mann in der Parabel des Barlaam den Erfin-
der dieser Darstellungen an Phaeton erinnert hat, wobei denn die
Vermischung von legendarischei] und antiken Gestalten sehr merk-
würdig ist. Ueberhaupt hat unser Meister augenscheinlich eine
gewisse Kenntniss und Empfänglichkeit für antike Vorstellungen.
Die Quadriga des Sonnengottes und die Biga des Mondes, sowie
ein prächtiger höchst belebter Centatir, der nebst andern Reliefs an
der Aussenwand eingemauert ist, lassen daran keinen Zweifel.
Von den Sculpturen im Innern wird ihm nur der kleinere Tauf-
Stein gehören, ein rundes mit Rankengewindeu verziertes Becken
auf dem Rücken eines zum Sprünge bereiten, höchst vortrefflich
gearbeiteten Löweniß). Energie und Gedankenfülle ist die her-
vorragende Eigenschaft dieses Meisters, an feiner Ausführung
llnd genauer Beachtung der Körperverhältnisse scheint ihm weniger
gelegen. Es ist etwas durchaus Primitives und Grossartiges in
ihm; es kommt ihm nur auf das Wesentliche und Bedeutsame
s) Osten Bauwerke der Lombardei Taf. 30. Das grosse (übrigens nicht
mit Bildwerk ausgestattete] Becken zur Taufe per immersionem ist von 1298
datirt und auch die Statuen der Monate im Innern gehören erst dieser spätem
Zeit an.