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Anfänge
italienischer
Sculptur.
nahme, aber in ungewöhnlicher, gedankenreicher Auffassung.
Ausser den bei der Abnahme thätigen Männem und den theilneh-
menden Frauen sind nämlich nicht bloss die Kriegsknechte,
welche im Vorgrunde an dem Gewande Christi streitend zerren,
der gläubige Centurio und andre Zuschauer, sondern auch noch
die Ecclesia, welche mit dem Kelche und der Fahne unter dem
von der Jungfrau Maria gehobenen rechten Arme Christi und
unter dem Schutze des herbeifliegenden Erzengels Gabriel steht,
und die Synagoge in Gestalt eines mit der Tiara bedeckten Prie-
sters mit zerbrochener Fahne, dessen Haupt der Erzengel Raphael
niederdrückt, ja endlich auch noch Sonne und Mond, zusammen
22 Figuren angebracht, von denen viele durch Inschriften bezeichnet
sind. Der Künstler hat also den Inhalt, den man sonst auf zwei
Darstellungen, auf die der Kreuzigung und Kreuzabnahme, zu
vertheilen pdegte, in ein Bild zusammengedrängt. Der Christus-
körper ist noch sehr unvollkommen, auch die andern Gestalten
sind zum Theil noch steif, und die Köpfe, die freilich durch die
Zeit labgeschliffen sind, scheinen niemals sehr belebt gewesen
zu sein. Aber die Anordnung ist klar und ungeachtet der be-
wusst durchgeführten Symmetrie recht lebendig, und die Gebehr-
den sind durchaus angemessen u-nd sehr verständlich und zeigen
bei den einzelnen Gestalten eine Fülle von lebendigen Motiven,
so dass man dem Gange der Handlung mit Interesse folgt. Ein
Einfluss des Byzantinischen ist durchaus nicht wahrzunehmen,
die Körper sind eher kurz, die Gewänder einfach und eher mit
parallel laufenden als conventionell geordneten Falten, aber es
herrscht ein Geist der Ordnung und Entschiedenheit in dem Gan-
zen, der anzieht.
Eine Reihe von Jahren später treffen wir unsern Bildner am
Baptisterium von Parma, dessenarchitekfonische Bedeutmig
schon besprochen worden. Die oft angeführte Inschrift, in wel-
cher er sich mit der Jahreszahl 1196 nennt k), steht an dem nörd-
gar nicht und den Meister überhaupt nur oberflächlich gekannt, während Fr.
K(öhler] im Kunstbl. 1826 S. 306 zuerst mit Wärme, freilich auch mit Ueber-
Schätzung auf ihn aufmerksam gemacht hat.
"j Bisbinis demptis annis de lhille ducentis Incepit dictus opus hoc
scultor Benedictus.