Mosaiken
der
Marcuskirche.
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Italiens, welche den zweideutigerx Vorzug einer so reichhaltigen
Ueberlieferung entbehrten, war wenigstens die Sculptur nicht
ganz in dem Grade gebunden wie dort. Die Malerei hielt zwar
auch hier nach Kräften an der altchristlichen Tradition fest, und
wurde dabei, da es ihr an anregenden Vorbildern fehlte, noch
matter, schwächer und handwerksmässiger, wie in jenen Städten,
aber die Steinmetzen, Welchen der Schmuck der Gebäude über-
lassen war, versagten sich xiicht, die Kraft ihres Meissels, die sie
an den Ornamenten erprobt hatten, auf gutes Glück und ohne
nach künstlerischen Vorbildern zu fragen , auch zur Darstellung
menschlicher Gestalten zu gebrauchen. Das fiel denn nun frei-
lich, wie ich in der vorigen Epoche an einer Reihe von Beispielen
sowohl aus Toscana wie aus der Lombardei, bis zum Jahre 1180
vorgreifend, nachgewiesen habe, so roh und plump aus, wie
man es bei italienischen Erzeugnissen kaum glauben sollte. Aber
die Zeitgenossen dieser Meister waren in keiner Weise verwöhnt
und zollten den geringen Anklängen des Natürlichen, Welche sie zu
geben vennochten, einen ermuthigenden Beifall, die Berührung
mit der, wenn auch unausgebildeten und schwankenden Archi-
tektur nährte denn doch den Sinn für Ordnung und selbst für
Schönheit mehr und mehr, und jedenfalls war hier eine Stelle ge-
geben, wo die sittlichen Anschauungen allmälig auch auf die
Kunst Einfluss gewinnen konnten. Hier finden wir daher auch
zuerst bedeutsamere Leistungen, Anfänge wirklicher Kunst.
Das erste uns bekannte Beispiel ist eine jetzt in einer Seiten-
kapelle des Domes zu Parma eingemauerte Tafel, auf der sich der
Künstler Benedictus Antelami mit vollem Namen und mit der
Jahreszahl 1178 nennt, wie man mit VVahrscheinlichkeit vermu-
thet ein Fragment einer im XVI. Jahrhundert abgebrochenen
Kanzel Der Gegenstand der Darstellung ist die Kreuzab-
"Ü Dies vermuthet der parmensische Localforscher Lopez (Kunstbl. 1846,
5- 249), indem er noch die Kapitäle der Kanzel und einige andre Arbeiten
unsres Meisters nachweisen zu können glaubt. Die Inschrift: Anno milleno
Centeno septuageno Octavo scultor patravit mense secundo Antelami dictus
Sculptor fuit hic Benedictus lässt keinen Zweifel darüber, dass der Bildner
Sich nicht (wie Rumohr I. 265 sich zu erinnern glaubte) de Antelamo nannte,
sondern der Sohn des Antelarnus, und da er keinen andern Geburtsort an-
giebt, wahrscheinlich aus Parma war. Cicognara III. 108 hat dies Bildwerk
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