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Anfänge
italienischer
Kunst.
Giovanni Tiepolo 1252) in der Vorhalle von S. Marco und
am Eingange von S. Giovanni e Paolo sind alte Sarkophage, der
eine ein altehristlicher, der andre ein heidnischer, und unter den
Reliefs, welche am Aeussern der Marcuskirche eingemauert sind,
befinden sich ebenfalls viele antike. Einzelne Male versuchten
sich venetianische Steinmetzen auch in Reliefs, und namentlich
die an den Portalen der Marcuskirche werden hier gearbeitet sein,
aber sie schliessen sich dann dem Style der byzantinischen Ma-
lerei an, wie dies das Relief des h. Leonardus am Aeussem der
Marcuskirche beweist, der, obgleich ein abendländischer Heiliger,
hier byzantinische Tracht trägt und in den Falten des Gewandes
und der Behandlung des Haares den Parallelismus und die feine
gestrichelte Weise byzantinischer Bilder zeigt. Zuweilen schei-
nen ihre Gestalten gradezu Nachbildungen bestimmter musi-
vischer Figuren oder vielleicht selbst antiker plastischer Werke;
xiamentlich befindet sich unter den Reliefs am Hauptportale der
Marcuskirche eine weibliche Gestalt, die ganz ähnlich wie jene
Fortitudo im Kuppelmosaik, aber noch kräftiger und wilder, wie
eine antike Mänade mit dem Löwen spieltä"). Dass diese Bildner
Einheimische waren, ist nicht zu bezweifeln, und wird auch durch
einzelne Namen venetianischer Meister bestätigt, indessen blieb
die Plastik unbedeutend, und auch die Malerei wurde erst später
durch den von andern Gegenden ausgehenden Aufschwung italie-
nischer Kunst auf andre Bahnen geführt.
Rom und Venedig verhielten sich also sehr ähnlich; die
mächtige Tradition der antiken Kunst, mochte sie einheimisch
oder durch byzantinischen Einfluss vermittelt sein, hatte bei beiden
dieselbe Folge. Sie bewahrte vor der letzten Stufe der Rohheit
und des Verfalls, aber sie gewöhnte an eine stumpfe Kunstübung,
der das plastische Element ganz abging, und die bei dem Mangel
der Berührung mit dem Leben und der Körperlichkeit immer stei-
fer, conventioneller und leerer wurde. In den andern Gegenden
V] Diese Figur bei Oicognara III. 346 und Tab. 26, die des Leonatdus
bei Didron Amiales arch. XV. p. 396. Oicognara III. 157 erzählt von einem
Mannorrelief in einem Kreuzgange zu Treviso, das inschriftlich von einem
Donatus Magister S. Marci de Venezia im J. 1276 gefertigt sei, aber ohne
Aeusserung über den Werth und Styl der Arbeit.