Der
Adel
in
den
Städten.
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niss zu der grossen abendländischen Staatseinheit zu berücksich-
tigen und wurden durch phantastisch entstellte Reminiscenzen
irre geleitet. Dort waren die Bürger, wenn auch durch Einwan-
derungen oder Eroberungen gemischt, doch völlig mit der Vater-
stadt verwachsen, hatten ausser ihren Grenzen keine Rechte, keine
Gewähr der Freiheit, nicht einmal Altäre ihrer Götter. Hier
hatten sie als Christen sogar Pflichten, durch ihre Standes-
interessen Beziehungen zu Standesgenossen, die über die Grenzen
der Stadt hinauswiesen. Die Stadtgemeinde War daher keines-
wegs in dem Grade in sich einig, und wenn dort aus den ge-
theilten Interessen verschiedener Klassen der Bürger vorüber-
gehende V erfassungskännpte entstanden, waren hier die Ursachen
der Spannung und Gährurag bleibend.
Besonders hatten die Städte in dem Landadel, den sie in ihre
Mauern aufgenommen, ein Element beständiger Unruhen. Er
liess sich zwar das Bürgerrecht und die Uebertraguug bürger-
licher Aemter oder des Befehls im Kriege gern gefallen, aber er
war nicht geneigt, sich den Bürgern ganz gleichzustellen, behielt
mit seinen ländlichen Besitzungen auch den Stolz der Feudal-
herren, und brachte die kriegerischen Sitten von seiner einsamen
Burg in die Stadt mit, wo die grössere Nähe die Veranlassungen
des Slreites mehrte. Dazu kam denn, dass auch die patricischen
Familien, Welche in den Zeiten der Anarchie ein Recht auf die
Besetzung der öffentlichen Aemter erhalten zu haben glaubten,
sich diesem eingewanderten Adel gleichstellten und seine heraus-
fordernden Sitten annehmen. Ritterliche Fehdelust hatte daher
mitten in den Städten ihren Sitz und nöthigte diese vornehmen
Familien, auf ihre Sicherheit gegen plötzliche Angriffe zu denken.
Schon die Häuser dieses Adels gestalteten sich daher zu festen
Burgen, die in den unteru Stockwerken nur schmale Eingänge
und enge, auf Vertheitligung berechnete Oetfnungen, in den obern
nur sparsame und mässig grosse Fenster hatten, und an denen
ein fester Thurm, als Warte und zur Vertheidigung, hoch und
schlank emporstieg. Solche Thürme zu besitzen wurde dann bald
eine Sache des Stolzes; die Familien überboten sich in der Höhe
und Zahl derselben, und die Bürger selbst rechneten sich wohl
das kriegerische Ansehen. das die Menge dieser schlanken