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Anfänge
italienischer
Kunst.
wohl aber legen die älteren Mosaiken von der 'l'üch1igkeit
dieser Techniker und von der Bedeutung der byzantinischen
Schule nochiein sehr günstiges Zeuguiss ab. Von denen der
Vorhalle habe ich schon gesprochen noch bezeichnender sind
aber die der beiden östlichen Kuppeln. Die über dem Hauptaltare
scheint die frühere und mag vielleicht noch dem XI. Jahrhundert
angehören. Sie enthält in der Mitte im Medaillon das Bildniss
des jugendlichen unbärtigen Christus und rings umher die Jung-
frau nebst einer Zahl von Propheten und alttestamentarischen Ge-
staltenw).
Frei und jebendig sind sie freilich nicht aufgefasst, das
Wohlgefallen an dem steif Geregelten, Couventionellen, das bei
der Pflicht treuer Reproduction nicht ausbleiben konnte, ist auch
hier bemerkbar. Die Jungfrau mit der schwerfälligen Verhüllung
ihres Hauptes und der ängstlich symmetrischen Haltung der
betend erhobenen Arme trägt dies Gepräge im höchsten Grade
und durchweg ist der Faltenwurf und die Andeutung des Kör-
pers unter den Gewändern in derselben, unwahren und nur durch
die mittelbare Nachahmung antiker Sculptur erklärbaren XVeise
ausgeführt. Aber die Haltung der Körper ist doch lebendiger,
der Ausdruck der Köpfe mannigfaltiger, nicht mit der monotonen
ascetischen Miene wie in den älteren römischen Mosaiken, David
und besondersSalomon sind ungeachtet ihres überladenen und
steifen königlichen Schmuckes anziehende Gestalten, und über-
haupt spürt man noch einen Rest des griechischen Sinnes für
Würde und Anmuth. Viel anziehender ist die Darstellung der
Himmelfahrt in der Kuppel über der Vierung; in der Spitze der
Wölbung die Füsse des aufsteigenden Christus auf gestirntem
Grunde, dann im Kreise die Jungfrau nebst den Aposteln und
den zwei nach oben hiuweisenden Engeln, endlich als dritte und
unterste Reihe zwischen den Fenstern der Kuppel die Tugenden-
Bd. IV. 2, 536.
Vgl. dieses und die Mehrzahl der unten erwähnten Mosaiken in dem
leider unvollendeten Prachtwerke von Kreutz, La Basiliea di S. Marco. Von
der Kuppel über der Vierung mit den Gestalten der Tugenden sind leider
keine grössern Zeichnungen als die auf den Durchschnitten gegeben, welche
denn doch kaum eine Ahnung ihrer grossartigen Erscheinung geben.