Kritik
der
frühern
Berichte.
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des Griechischen und Italienischen nur an die Verschiedenheit
zweier in Italien herrschender und von Italienern geübter Kunst-
richtungen denken. Dass sie dann beide die ältere Richtung grie-
chische Manier nannten, erklärt sich ganz einfach dadurch, dass
sie bei den Byzantinern ähnliche Züge wahrnehmen, und dass es
ihnen darauf ankam, das Unverständliche, Fremdartige, das jene
ältern Werke für sie hatten, durch ein prägnantes, anschauliches
XVort zu bezeichnen. Zu allen Zeiten, selbst in unsern Tagen,
ungeachtet der grösseren allgemeinen Bildung, bedürfen die
Künstler zur Verständigung unter sich solcher genereller Bezeich-
nungen, bei denen es auf genaue historische Begründung nicht
ankommt, und die bald typisch werden und sich lange Fortpflan-
zeu. Giotto hatte die Kunst auf tiefern Ausdruck nationaler, ver-
ständlicher Gefühle hingeleitet, und seine Kunstweise hatte
rasch in allen Theilen Italiens mehr oder weniger Anklang und
Nachahmung gefunden; dies war ein hinreichender Grund, sie als
die italienische oder wahre, die Nachklänge jenes ältern spröderen
Styls aber, die sich noch lange erhielten und für deren Kritik man
eines Wortes bedurfte, mit dem des „Griechischen" zu bezeichnen.
Dieser Sprachgebrauch konnte natürlich erst entstehen, nachdem
Gi0tto's Schule die unbestrittene und allgemeine Herrschaft in Italien
erlangt hatte; seine Zeitgenossen, Dante und dessen Commen-
tator, konnten ihn daher nicht kennen, während er den Künstlern
der dritten oder vierten Generation nach Giotto, zu denen Cennini
und Ghiberti gehörten, geläufig war und sich nun traditionell er-
hielt. Indessen nicht ohne Veränderung. Je mehr die Renaissance
feste Wurzeln fasste, desto mehr trat nun auch Giotto in den
Hintergrund und rückte allmälig mit Cimabue zusammen. Der
eine war veraltet Wie der andre, ja das an die Reproduction der
Antike gewohnte Auge der Maler des XVI. Jahrhunderts fand
bei Cimahue verwandtere Züge und eine gewisse Hoheit und
Würde, die Giotto abging. Man konnte daher die Ehre, welche
Cennini und Ghiberti diesem zuerkannt hatten, ihm nicht mehr
erhalten, die Grenze des Griechischen und Italienischen nicht mehr
zwischen beide verlegen, sondern betrachtete schon Cimabue als
den Anfänger der italienischen Kunst?) und musste nun die Ver-
So stellt es schon Landino in Prcemio zu Seinem Ütömmerltar der
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