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Anfänge
italienischer
Kunst.
wie von Florenz lässt sich auch von den andern grössern Städten
nachweisen, dass Bildnerei und Malerei nie gänzlich erloschen
oder ganz in griechischen Händen gewesen sind.
Aber diese Thatsachen wurden erst allmälig ermittelt, und
jene Erzählung war so lebendig vorgetragen und entsprach so
sehr dem italienischen Geschmacke, dass sie sich fest einprägte
und nachwirkte. Wie Vasari selbst liebten die Italiener durch-
gängig die novellistisch-biographische Betrachtungsweise, Welche
die geschichtlichen Hergänge an einzelne, überraschend hervor-
tretende Persönlichkeiten knüpft, und die Vorstellung einer künst-
lerischen Grossthat, welche das Land von der Herrschaft des
fremden Styls befreit habe, schmeichelte der Ruhmbegierde. Hatte
Vasari sich auch mit jener Berufung der Griechen nach Florenz
oder mit dem angenommenen gänzlichen Mangel einheimischer
Künstler geirrt, so hielt man doch daran fest, dass die Kunst im
Wesentlichen durch Griechen betrieben sei, und dass erst Schüler
derselben und zwar zuerst Cimabue sich über diese ihre Meister
und ihren handwerksmässig stumpfen Betrieb zu künstlerischer
Auffassung erhoben hätten. S0 wurde es namentlich von den
Florentinenl, in dem an sich wohlbegründeteten Gefühle ihres
künstlerischen Uebergewichts, aufgefasst und am dreistesten durch
Baldinucci dahin ausgelegt, dass Cimabue gradezu der Stamm-
vater aller italienischen Kunst, und die jeder andern Stadt durch
mittelbare oder unmittelbare [Tebertragung von ihm herzuleiten
sei. Erst diese Behauptung erregte den Widerspruch. Bologna,
Pisa, Siena besassen ältere, einheimische, zum Theil mit Maler-
namen bezeichnete Gemälde und nahmen daher jenen Ruhm des
Cimabue für ihre Mitbürger in Anspruch, andre Städte zeigten
Wenigstens urkundlich erwähnte Künstlernamen auf, und es erhob
sich ein heftiger Streit, Welcher Stadt die Priorität gebühre, der
zum Theil noch bis auf unsre Tage dauert, während einsichtigere
Männer zwar ein Mitwirken X7ieler und ein allmäliges Befreien
aus den Fesseln stationär griechischer Kunst annahmen, aber
doch dem reizbaren Localpatriotismus wenigstens durch das Zu-
geständniss eines Antheils an diesem Ruhme entgegenkommen
zu müssen glaubten. Allein bei diesem Streite und dieser scho-
nenden Behandlung ging man unwillkürlich und stillschweigend