Kritik
der
frühern
Berichte.
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Künste in ihrer rohen und stumpfen Weise betrieben. S0 sei es
bis um das Jahr 1250 geblieben, wo die Regierung von Florenz,
weil es in ihrer Stadt an Künstlern fehlte, gewisse griechische
Maler dorthin berufen habe, deren Arbeiten dann das ilatürliche
Talent des Florentiners Cimabue anregten, so dass er zuerst
ihnen ihre Künste abzusehn suchte, dann bei ihnen förmlich in
die Lehre trat, und nun, während sie handwerksmässig und ohne
Eifer fortarbeiteten, sie in der Zeichnung sowohl wie in der Farbe
weit übertraf und damit den Weg zu weitem Fortschritten bahnte.
Ungefähr um dieselbe Zeit aber sei etwas Aehnliches in der
Sculptur und zwar durch Niccolö von Pisa geschehn, der als
Gehülfe griechischer Bildhauer am Dome seiner Vaterstadt be-
schäftigt, durch die Schönheit eines bestimmten antiken Sarkophags
erweckt, die Schwächen dieser seiner Meister erkannte und nun
ebenfalls sich dem Besseren zuwandte. Dies alles trägt der Vater
der Kunstgeschichte in seiner lebendigen YVeise mit den ge-
nauesten Details vor. Er führt uns in Pisa an den Sarkophag,
dessen Schönheit Niccolifs Kunstgefühl erweckt habe, er zeigt
uns in Florenz den jungen Studenten aus dem adeligen Hause der
Cimabue, der heimlich aus der Schule in jene Kapelle läuft, wo
die Griechen malen, ihnen zusieht, sie nachahmt und dabei so un-
verkennbare Proben seines Talents ablegt, dass selbst sein Vater
endlich nachgeben muss und, einen ehrenvollen Erfolg davon
hoffend, ihn jenen fremden Meistern in die Lehre giebt.
Dass diese Geschichte nicht völlige und wörtliche Wahrheit
enthält, ist nun zwar längst anerkannt. Die Capella Gondi in
S. Maria novella, Wo Vasari jene Griechen malen lässt, war da-
mals noch gar nicht erbaut, von der Berufung derselben spricht keine
Chronik, keine Urkunde, jedenfalls konnte sie nicht deshalb ge-
schehen sein, weil es an einheimischen Malern fehlte. Denn solche
kotnmen in tlorentinischen Urkunden häufig, schon seit 1066 vor,
und da eine derselben im Jahre 1'269, also etwa 10 Jahre nach
jener angeblichen Berufung der Griechen, einer „Strasse der Ma-
ler" erwähnt, so muss es damals und schon seit längerer Zeit
eine zahlreiche Gilde sesshafter Maler gegeben haben Und
Herausgeber des Vasari a.
w] Vgl. die Anmerkung der
Rllmohr I. 327.
und
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