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Anfänge
italienischer
Kunst.
eine unrichtige Auffassung der weiter zurückliegenden Vorzeit,
welche dennoch, durch das Ansehn dieser Quellen, mehr oder
weniger auf die späteren Schriftsteller überging und dieselben
bei ihren weiteren Forschungen beherrschte. Die Kraft dieses
Vorurtheils ist nun zwar seit einigen Jahrzehnten, namentlich
seitdem zuerst der Deutsche Bumohr und der Däne Gaye das
Beispiel strengerer Kritik gegeben und auf die Nothwendigkeit
näherer urknndlicher Forschungen hingewiesen haben 9c), ge-
brochen, aber doch nicht soweit besiegt, dass sie nicht noch theil-
weise nachwirkten, und jedenfalls ist auch die Kenntniss jener
älteren Ansicht zum Verständniss späterer unvermeidlicher Unter-
suchungen und zur Benutzung der älteren Literatur nöthig, so
dass wir hier, ehe wir zur Erzählung der geschichtlichen Her-
gänge übergelm können, uns durch eine kritische Betrachtung der
älteren Auffassung Bahn brechen müssen.
Der bedeutendste und einflussreichste dieser ältern Bericht-
erstatter ist bekanntlich der Maler Georg Vasari, welcher in
seinem zuerst im Jahre 1550 lterausgegebenen grossen Werke
den Biographien, welche den Hauptbestandtheil desselben bilden,
auch eine Erzählung der frühesten künstlerischen Hergänge vor-
ausschickte. Nach seiner Darstellung ging der Aufschwung von
einigen wenigen Persönlichkeiten aus. Seit den Zeiten Constan-
tins und Gregors des Grossen, so nimmt er an, war die Kunst in
Folge der Zerstörung der antiken Tempel und Denkmäler in
Italien in so gänzlichen Verfall gerathen, dass Sculptur und Ma-
lerei so gut wie völlig untergegangen waren ist), und nur grie-
chische Meister, weil sie allein schwache Ueberreste künstlerischer
Technik behalten hatten, auch in den italienischen Städten diese
"Ü Rumohr bekanntlich in den ltal. Forsch. (1827-1831), 3 Bde. Gaye
hauptsächlich in der Urkundensammlung: Carteggio inedito dhrtisti dei secoli
XIV. XV. XVI. Firenze 1839. 3 Bde. Dass diesen beiden Ausländern das
angegebene Verdienst gebührt, und dass von ihnen eine neue Aera in der
Behandlung der Kunstgeschichte datire, gestehen die gründlicheren Italiener
selbst unbedingt ein. Vgl. Bonaini, Memorie intorna alla vita di Francesco
Traini (Pisa 1846] in der Einleitung.
Ü") La pittura piuttosto perduta ehe smarrita-poco meno ehe spenta alTatto.
Vgl. die Erzählung im Proemio cap. XVI. (in der Ausg. bei Lemonnier p. 212),
im Leben des Cimabue und in dem des Niccolö Pisano.