Der
Dogenpalast
Zll
Venedig.
255
in diesen gothischen Palästen Venedigs , wo die Faoade, indem
ihr alles Kräftige, Ausladende entzogen, in der That mehr ein
architektonisches Bild als ein Gebäude ist. Sie ist ganz Fläche,
selbst die Gesimse und Zinnen treten nicht hervor, ihre ganze
Eintheilung in ein Mittelstück und zwei Flügel, beide mit einzelnen
umrahmten kleineren Bildern, ist malerisch, und endlich fügte man
denn auch, wie man jetzt noch in einzelnen Spuren erkennt, eine
decorative Malerei hinzu, welche meist in hellen Farben, über-
wiegend roth und gelb, die Gliederung betonte, die Friese und
W andfelder mit Ornamenten, Rosetten, Ranken, selbst mit Thier-
und Engelsgestalten, und wo der Ton des Steines nicht lebendig
genug war, auch die grösseren Flächen mit einem einfachen
Muster verzierte. Kam dann die Vielfarbigkeit der zu den Mar-
kisen verwendeten gewebten Stolfe und der bunte Anstrich der
zum Anbinden der Gondeln bestimmten Pfähle hinzu, so hat man
ein sehr buntes reiches Bild, welches mit den LichtreHexen des
Wassers wohl geeignet war, den Farbensinn zu weckenät).
Der Dogenpalast weicht von der Anordnung der übrigen
venetianischen Paläste bedeutend ab, verdient aber doch als der
imposanteste unter ihnen und weil er einige, wenn auch nicht
ilnbestrittene, chronologische Daten gewährt, eine sorgfältige
nähere Betrachtung. Es giebt wenige Gebäude, welche die Phan-
tasie so mächtig anregen und zugleich ihr Bild der Seele auch des
architektonischen Laien so tief einprägen wie dieses. Bekanntlich
besteht das Aeussere im Erdgeschosse aus stämmigen, fast ge-
drückten Säulen mit grossen, dichtbesetzten Laubkapitälen und
kräftig gebildeten, weit geöffneten einfachen Spitzbögen. Das
zweite Stockwerk besteht dann wiederum aus einer Säulenhalle,
aber von der doppelten Zahl viel schlankerer Säulen und mit einem
aus geschweiften Bögen und Rosetten gebildeten Maasswerke
von solcher Höhe, dass es den Säulen mit ihren Kapitälen gleich-
kommt. Auf diesem luftigen und durchbrochenen Gebilde ruht
dann aber nicht, wie man vermuthen sollte, eine noch leichtere
Zier, sondern der schwere Körper eines gewaltigen Oberge-
schosses von gleicher Höhe wie beide Gallerien zusammenge-
Vgl.
Mothes I.
über die venetimische Polychromie
213,
214, 293.