Frei heitsgefühl.
Diese Unterschiede, obgleich sehr tief einwirkend, waren X
nun freilich nicht stark genug, die Entstehung einer italienischen
Nation zu verhindern, aber doch war die Bedeutung dieser Natio-
nalität eine andre wie bei den germanischen Völkern. Bei diesen
war ihre Einung eine historische That, man kann sagen ein Werk
menschlicher Freiheit; Individuen, Genossenschaften, Localitäten
schlossen sich zuerst freiwillig aneinander an und verwuchsen durch
stets genährte Anhänglichkeit mehr und mehr. Stammesverwandt-
Schaft hatte dabei, xiamentlich bei den Anfängen der Nationalbildung,
einen nicht unerheblichen, die äussere geographische Natur des
Landes dagegen keinen oder doch nur einen sehr untergeordneten
Einiluss. In Italien war es umgekehrt; die Menschen fühlten
keinen Trieb sich zusammenzuschliessen, aber die meerumgrenzte
Lage des Landes, seine klimatische Verschiedenheit von den Län-
dern jenseits der Alpen , seine am Boden haftende Vorgeschichte
gaben ihnen unvermerkt ähnliche Züge und Stimmungen, ver-
wandte Empfindungen und Bedürfnisse, eine wenigstens an-
nähernd gleiche und wenn auch langsam reifende Sprache, mit
einem Worte ein nationales Gepräge, und endlich, sobald der Sinn
für die Schönheit und alle die unschätzbaren Vorzüge erwachte,
welche die Natur diesem Lande geschenkt, auch ein ilationales Ge-
fühl. Allein diese Nationalität war nicht eine selbstgewollte, er-
strebte Einheit, sondern nur eine gegebene, gegen welche sich der
Einzelne passiv verhielt und die ihm bei seinem vorherrschenden
individuellen Selbstgefühle ziemlich fern lag, während die Inte-
ressen seiner engern Heimath und ihr Gegensatz gegen benach-
barte Localitäten ihn unmittelbar berührten und bestimmten. Schon
die Natur bringt in Italien oft in grosser Nähe Verschiedenheiten
hervor, die auch die Sitten und Neigungen anders bestimmen,
und noch mehr hatten politische und gewerbliche Rücksichten
Wetteifer und Feindschaft erzeugt, so dass im innern Verkehre
die Sonderinteressen und das Abstossende mächtig hervortreten
und jede umfassende Einigung erschwerten.
Die deutschen Fürsten hatten seit den 'l'agen Karls des
Grossen beharrlich versucht, die einzige ihnen bekannte staats-
rechtliche Ordnung, das Lehnrecht, hier einzuführen. Allein das
auf persönlicher Treue und dem Lehnseide beruhende System