Palastbau.
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systeme ausgingetl. In der That forderte diese etwas Pikantes.
Auf dem festen Lande, WO das benachbarte Gebirge oder die reiche
südliche Vegetation oder doch die buntgekleidete gedrängte Volks-
menge ein Bild von grosser Mannigfaltigkeit darbot, war die Ar-
chitektur auf einfache, ruhige, wohlgegliederte Massen ange-
wiesen. Hier dagegen, der weiten Wasserlläche der Lagunen
gegenüber, oder in der stillen schattigen Einsamkeit der Kanäle,
wo nur selten und leise ein Nachen vorbeigleitet, hatte sie die
Aufgabe, den Mangel des gestalteten Lebens zu ersetzen, reichere
Formen zu zeigen und zugleich einen Gegensatz gegen das
VVasser zu bilden, in Welchem sich auch seine Eigenthümlichkeit,
das Spiel des Lichtes, die kräuselnde Bewegung beim Anhauch
des Windes irgendwie architektonisch spiegelte. Auch der Ge-
schmack der Bauherren, die grade jetzt im Orient ausgedehnte
Besitzungen gewonnen hatten und an fremdartige Erscheinungen
gewöhnt Waren, forderte etwas Pikantes. Daher versuchte man
sich auch in orientalischen Details; es finden sich (sogar ein Mal
über einer innern Thüre der Marcuskirclte) steile gebrochene, aber
ganz flache Bögen von maurischer Gestalt, auch wohl vereinzelt
ausgebildete Hufeisenbögeni"). Aber die Kirche hielt an den
abendländischen Formen fest und die Bauleute standen doch in
näheren Beziehungen zu dem festen Lande Italiens, wo grade
damals der Meissel der Steinmetzen sich an den Schwung go-
thischer Formbildung gewöhnt hatte. Diese behielt denn auch
zuletzt die Oberhand, aber natürlich nur als eine Decoration und
zugleich nicht ohne einen Einfluss jenes orientalisireilden und
pikanten Geschmacks. Unter den Palästen dieses Uebergangs-
stylesW-f) ist der Pal. Andriolo vielleicht der interessanteste, weil
daran Säulen mit dem Eckblatt und mit romanisch gebildeten
Vgl. den Bogen aus S. Marco bei Selvatico p. 96 und einen Hufeisen-
bogen vom Pal. dei Polo bei S. Gio. Grisostomo daselbst p. 81.
"j Mothes p. 147 1T. nennt den P. Priuli, jetzt Zorzi zwischen S. Zec-
caria und S. M. Formosa, den alten P. Molin unweit S. Moise, Häuser nächst
der Abbazzia della Micericordia, auf dem Campiello della Feltrina, den ehe-
maligerl P. Andriolo auf dem Campo S. Angelo, von dem er auch Fig. 50, 51
Zeichnungen giebt, die Casa. Faiier an Campo SS. Apostoli, ein Haus am
Campo dei Mori und das in der vorigen Anm. genannte Haus der Familie
Polo, aus welcher der berühmte Reisende stammte.