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Italienische
Gothik.
lich. Venedig unterschied sich also auch in politischer Beziehung
wesentlich von den andern Städten, und gerade in derselben Zeit,
wo diese entweder ihre Verfassung demokratisch ausbildeten oder
der Alleinherrschaft unterlagen, gelang es den venetianischen V or-
nehmen durch die berühmte Maassregel von 1296, die „Schliessung
des Rathes", ihre Aristokratie unter monarchischer Form so fest-
zustellen, dass sie eine Reihe von Jahrhunderten hindurch sich
erhielt. Die Erbauer dieser Paläste waren daher Kaufleute, welche
zwecklose Fehden nicht liebten, Staatsmänner und Seehelden,
Welche an Disciplin und Ordnung gewöhnt waren und sie in An-
spruch nahmen, und endlich Mitglieder eines aristokratischen
Standes, aus dessen Mitte die Regierenden hervorgingen. Sie
hatten also überall eher Veranlassung, ihre glänzende Lebens-
weise otfen zu zeigen, dem Volke dadurch ein Schauspiel zu ge-
ben, als sie ängstlich zu verbergen, brauchten sich nicht in Iinstre
Burgen einzuschliessen, sich nicht den Freien Blick auf die be-
wegte Wasserstrasse, auf den Verkehr des Handels, an dem sie
selbst 'l'heil nahmen, zu versagen. Auch hatten sie andre und
grössere Bedürfnisse als jener festländische Adel. Sie bedurften,
da ihre friedlichen Verhältnisse eine leichtere Geselligkeit be-
günstigten, grössercr Räume, da sie keine Gärten und selbst wenig
gangbare Strassen hatten, offener Hallen zum Luftgenusse, welche
passend an der hellsten Stelle, nicht nach dem Hofe, sondern nach
der Strasse zu angebracht wurden, und endlich, da der Winter
auf diesen WVassern in der Nähe der Alpen viel dunkle Tage und
dichte Nebel bringt, einer stärkeren Beleuchtung.
Dies waren die Bedingungen, aus Welchen die Anordnung
der venetianischen Wohnhäuser vornehmer Familien allmälig her-
vorging. Das Erdgeschoss enthält zunächst den Eingang, den
man entweder als Säulenhalle, oder was später gewöhnlicher
wurde, als ein Portal bildete, an das sich ein hoher und breiter,
durch die ganze Tiefe des Hauses nach dem Hofe zu führender
Gang anschliesst, der geräumig genug sein musste, um zahlreiche
Gäste zu empfangen und um den Transport von Waaren und Be-
dürfnissen des Hauses zu gestatten. Daneben lagen niedrigere
Magazine, über denen noch Raum blieb, um eine Mezzana, ein
Halbgeschoss mit Geschäftszimmern, anzubringen, während der