Dom
Zll
Mailand.
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acht den Gewölbrippen entsprechenden Diensten, aber diese Dienste
ermangeln jeder kräftigen Bildung, sind sämmtlich gleich und
birnförmig gestaltet, und die Basis des ganzen Pfeilers senkt sich
in höchst weichlichen, wellenartigen Curven zum Boden. Dazu
kommt dann noch, dass diese Pfeiler im ltlittelschiße statt der
Kapitäle einen Kranz von hohen zur Aufstellung von Statuen be-
stimmten Tabernakelnischen tragen, welcher die architektonische
Bewegung ganz abschneidet und auf ihr lastet. Im Aeussern im-
ponirt zwar der Glanz des weissen Marmors und der unendliche
Reichthum von Fialen, Strebepfeilern und einem ganzen Volke
von Statuen. Aber ist schon an sich die breite fünfschiftige An-
lage bedenklich, so wird sie es hier durch die ansteigende Höhe
der SeitenschiHe noch mehr. Da der Thurm auch hier nach un-
erlässlicher Forderung des italienischen Gefühles fehlt, so steigt
die Marmormasse in mässigen Absätzen von den Seitenwänden
nach der Mitte zu auf, um in der Kuppel mit einem ziemlich schwe-
ren Körper und einer verhältnissmässig dünnen Spitze zu schliessen.
Es ist mehr ein riesiger Marmorberg mit seltsamen Spitzen und
abenteuerlichen Formspielen, als ein Kunstwerk des menschlichen
Geistes, das mit seinen Verhältnissen und Gegensätzen in unserer
Seele eine Fülle verwandter Gedanken und Empfindungen an-
regt. Die Abweichungen der gewöhnlichen italienischen Gothik
von der nordischen waren das Product einer lebendigen Reaction,
bildeten eine wenn auch nicht völlig consequente, doch mehr oder
Weniger harmonische Totalität, während hier bei der beabsich-
tigten Reproduction des fremden Styls die zahlreichen Fehler und
Italianismen nur als Negationen und Verstösse erscheinen.
Bezweckte Johann Galeazzo bloss, dem leicht zu befriedi-
genden Stolze seiner Mitbürger und Unterthanen Nahrung zu ge-
ben, so hat er seine Absicht erreicht; wäre er dagegen wirklich
ein ernsthafter Verehrer nordischer Gothik und sein Dom dazu
bestimmt gewesen, diese mehr als bisher in Italien einzuführen,
S0 Würde er ihn gründlich verfehlt haben. Denn dies Beispiel war
für alle Einsichtigei] abschreckend und musste die Reaction im
höchsten Grade kräftigen, was denn auch sofort geschah und sich
an Johann Galeazzo's eignen Bauten zeigte.
Nachdem er nämlich im Jahre 1335 von dem schwachen
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