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Italienische
Gothik.
Pisa, von denen wir später reden werden, sind ganz im Geiste
christlich-romantischer Poesie; er scheint erfüllt von Dante's
Dichtung. Auch die gothische Form verschmäht er nicht; alle
seine Tafelbilder, der grosse Altaraufsatz von Orsanmichele , die
Tabernakel am Aeussern dieser Kirche, soweit sie ihre ursprüng-
liche, von ihm herrührende Anordnung behalten haben, sind mit
Spitzgiebeln, Fialen, Kreuzblumen und Krappen in der schwer-
fälligen italienischen Weise überreichlich versehn. Aber wenn
es sich um grössere Bauwerke handelte, mischten sich unwill-
kürlich Züge ein, die er selbst an antiken Gebäuden bemerkt
hatte oder die von ihnen in die gemeine italienische Baupraxis
übergegangen waren. Seine Aufmerksamkeit hatte er auf die
Antike noch nicht gerichtet, seine Neigung, wo er sich ihrer be-
wusst wurde, führte ihn dem christlich-mittelalterlichen Style zu.
aber die abweichende Richtung der italienischen Natur machte
sich, nachdem der fremde Styl den Reiz der Neuheit verloren
hatte, wieder mehr geltend.
In Genua kam es dahin noch nicht. Der Gürtel hoher Fel-
sen, der die "stolze" Stadt umrahmt und sie zur meerbeherr-
sehenden Veste machte, schied sie auch von Toscana sowohl als
von der Lombardei, liess sie an dem geistigen Leben beider nur
bedingten Antheil nehmen, und gab ihr wie in klimatischer, so
auch in künstlerischer Beziehung eine grössere Aehnlichkeit mit
dem südlichen ltalien als mit den regsamen Provinzen, an die sie
grenzt. Nur darin gleicht ihre Architektur der von 'l'oscana, dass
dieselben Steinbrüche ihr den schwarzen und weissen Marmor
lieferten, der zum Schmuck der Wände mit wechselnden Streifen
einlud, und dass sich an den Gebrauch dieses edelu Materials
auch die Gewohnheit seiner Bearbeitung in antiker Weise
knüpfte. Bis dahin, dass die ausgebildete Renaissance hierher
drang, blieben die genuesischen Kirchen fast durchgängig Säu-
lenbasiliken, und viele Einzelheiten beweisen, wie lange sich
jene Erinnerung erhielt. Vor Allem das prächtige Seitenportal
am Dome S. Lorenzo, wo unter einem fast hufeisenartig ge-
schwungenen Bogen richtig gebildete korinthische Kapitale und
Säulen, und neben phantastischen Thieren, Riemenverschlingungen
und Rankengewinden in der feierlich starren Behandlung des elf-