Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das Mittelalter Italiens und die Grenzgebiete der abendländischen Kunst (Bd. 7 = [2], Bd. 5)

Orsanmichele. 
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bildet. Das Ganze ist mit so richtigem Takt und feinem Gefühl 
ausgeführt, dass diese Inconsequenz keineswegs verletzt; aber 
man sieht doch, dass dieser Meister von der Freiheit der Wahl 
zwischen beiden Bogenarten, auf welche ;auch seine Vorgän- 
ger nie verzichtet hatten, den allerausgedehntesten Gebrauch 
machte. 
Ohne Zweifel stand er damit nicht allein, und wenn man 
ein Mal so weit gekommen War, musste man nothwendig bald 
einen Schritt weiter gehn. Denn, hatte der Spitzbogen auch nicht 
einmal mehr den Schein einer constructiven Regel, von der man 
nur ausnahmsweise abwich, so war er nichts als eine, und zwar 
eine etwas bizarre decorative Form, die sich für die Anwendung 
in grossen Verhältnissen, also für die eigentliche Architektur, 
nicht sehr empfahl, wenn man sie auch für kleinere Zierwerke 
beibehielt. Und so scheint es sich wirklich bei den Künstlern von 
Florenz, namentlich bei einem sehr ausgezeichneten, dem berühm- 
ten Maler und Bildhauer Andrea di Cione, genannt Orcagna, 
gestaltet zu haben. Das eine der beiden weltbekannten floren- 
tiner Bauwerke, an denen seine Betheiligurlg feststeht, das Kirch- 
lein Orsanmichele (S. Michele in Orto"") war kein völliger 
Neubau, sondern hat eine ältere, schon an sich nicht unin- 
teressante Geschichte. Im Jahre 1284 wurde nämlich der in der 
Mitte der Stadt gelegene und als Kornmarkt dienende Platz ver- 
schönert, gepflastert und mit einer offenen Halle versehn, die aber 
wahrscheinlich nur von Holz war, da sie im Jahre 1304 ab- 
brannte. 1308 wurde sie neu gebaut und nun von frommen Bür- 
gern mit Bildern der Jungfrau Maria und des h. Michael ge- 
schmücktgä). Im Jahre 1336 beschloss jedoch die Republik, 
d) Kugler Baukunst III. 553 u. A. wollen das „Or" als Abkürzung von 
Horreum betrachten. Allein in sämmtlichen Urkunden des XIV. Jahr- 
hunderts heisst die Stelle: S. Michele in Orto; es war ursprünglich ein 
Wiesenplatz, der zum öffentlichen Gebrauche diente. Auch war selbst das 
Gebäude von 1284 nach Vasari (I. 250) und Gio. Villani (lib. VII. cap. 98) 
noch kein Kornspeicher. Dass übrigens dieser Bau von 1284 von Arnolfo 
bei-rühre, wie Vasari behauptet, ist mehr als unwahrscheinlich. 
Hi) Für den Brand von 1304 Villani Iib. VIII. cap. 61, für den Wieder- 
aufbau von 1308 Gaye I. S. 448. Für den weitem Hergang sind die Nach- 
richten bei Gaye I. S. 4B ff. zusammengestellt. 
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