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Italienische
Gothik.
gesehn haben) einen nordischen Anklang zeigen, ein sehr gün-
stiger Boden für den gothischen Styl. Hier wurde denn auch ein
Bau begonnen, der, wenn er vollendet wäre , nicht bloss das
grösseste, sondern auch das schönste, reifste Werk italienischer
Gothik sein würde, der des Domes S. Petronio. Der Urheber
des Planes War ein Einheimischer, Antonius, Sohn des Vincen-
tius, der zwar nur Maurer (Murator) genannt wird, aber ein an-
gesehener Bürger war und selbst zu Gesandtschafteu der Repu-
blik gebraucht wurde. Man ging dabei ausserordentlich gründlich
zu Werke. Nachdem im Jahre 1388 die Errichtung einer grossen
Kathedrale auf Kosten der Stadt beschlossen war, wurde Meister
Antonio angewiesen, zunächst mit dem hochverehrten und bau-
kundigen General des Serviteuordens, Pater Andreas Manfredi,
der in Bologna wohnte, denPlan vollständig zu besprechen. Nach-
dem dies geschehn und danach von ihm die Zeichnung entwor-
fen war, wurde er im Jahre 1390 contractmässig verpflichtet,
nach dieser Zeichnung aus Stein und Kalk und mit von Gyps
überzogener Leinwand eine Kirche oder Kapelle, 40 Fuss lang
und 30 Fuss breit, und zwar mit allen Portalen, Fenstern, Ge-
wölben, Kapellen, Pfeilern, Thürmen und andern Anhängen zu
errichten, welche als Modell der auf dem grossen Platze zu er-
bauenden Kirche des h. Petronius dienen solltet). Nachdem dies
i) Vasari's Angabe, der einen gewissen Arduino als Meister nennt, ist
durch die Urkunden widerlegt, und Ricci II. 285 1T. ereifert sich ohne Grund
gegen Cicognara (II. Q32), indem er dem Pater Andrea die Ehre der Er-
findung des Planes zuschreiben will. Denn die Urkunden lassen keinen
Zweifel, dass Antonio dabei als der eigentliche Meister, Pater Andrea nur
als Rathgeher gehandelt hat, wie dies Cicognara. richtig angenommen. Zufolge
der Urkunde von 1390 soll jener das Modell arbeiten "secundulu quod apparet
in quodam designato in carta bornbacina, laborat-o et designato per ipsum
Magistrum Antonium". Auch in der Urkunde von 1392 erscheint er als die
Hauptperson, qui sua industria arte et ingenio, una cum Padre D. Andrea
ecclesiae fiendae ordinationem, compositionem, structurarn comprendit et
ordinavit. Von den Urkunden von 1392 bei Cicognara und bei Gualandi
(Memorie, Serie III. pag. 92), welche beide vom 8. April datirt und im We-
sentlichen gleicher Bedeutung, aber ganz andrer Fassung sind, scheint die bei
Cicognara den Beschluss, die bei Gualandi aber eine darnach ausgearbeitete
Bestallung zu enthalten, wenn sie überhaupt, was der Wortlaut zweifelhaft
macht, ächt sein sollte.