Der
Dom
VOU
Siena.
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man durch Vertiefung der ganzen übrigen Kirche eine höhere
Stelle für den Chor erlangen und ihm durch Ueberwölbung mit
einer Kuppel grössere Würde, geben wollte. Wie es scheint,
wurde der Plan getheilt, die Vertiefung abgelehnt, die Krippe]
acceptirt, und man fuhr nun in dem Herstellungsbau fort, bei dem
wahrscheinlich das Langhaus überwölbt wurde, da im Jahre 1260
von Sprüngen in den neuen Gewölben die Rede ist, über die man
sich jedoch nach dem Gutachten der Sachverständigen beruhigte.
Im Jahre 1264 war die Kuppel vollendet und damit, wie es
scheint, der gesammte Herstellungsbau, so dass man sich mit der
plastischen Ausstattung des Innern und Aeussern beschäftigen
konnte. Nachdem Niccolb Pisano die prachtvolle Kanzel, Welche
im Jahre 1266 bei ihm bestellt war, 1268 abgeliefert hatte, wur-
den zwei seiner Gehülfen Donato und Lapo nebst einem dritten
liorentiner Bildhauer, Goro, durch kostenfreie Verleihung des
Bürgerrechts und Steuerfreiheit für bleibenden Aufenthalt in Siena
und für den Dombau gewonnen (1272). Später (1281) wurde
einem gewissen Ramus, dem Sohn eines in Siena eingebürgerten
Ultramontanen, also eines Deutschen oder Franzosen, Strafe und
Verbannung, die er durch ein Vergehn verwirkt hatte, erlassen
und zwar, wie ausdrücklich angeführt, weil er ein guter Bildhauer
sei und dem Dome nützen könne. Endlich 1284 gewann man
denn auch einen Mann, der geeignet war, die Oberleitung zu
übernehmen, den berühmten Giovanni Pisano, welchem die Stadt
sogleich wiederum mit der Verleihung des Bürgerrechts und der
Steuerfreiheit entgegenkam. Bis zum Jahre 1299 lässt sich seine
(wenn auch wahrscheinlich öfter unterbrochene) Anwesenheit in
Siena nachweisen und die alte Tradition, dass er und zwar von
1284 an die Facade errichtet habe, wird im Wesentlichen richtig
Seini). Am Architrav des einen Seitenportals findet sich die
Jahreszahl 1300. Bald darauf aber gerieth, wie es scheint, die
Ü Die Urkunden darüber bei Milanesi in der Note S. 162. Die Strafen,
welche ihm 1290 erlassen werden, waren wahrscheinlich Oonventionalstrafen,
die er durch Ausbleiben zu den contractmässigen Zeiten verwirkt hatte. Der
Umstand, dass sich ein Grabstein für ihn und seine Erben am Dome findet
(Obgleich er in Pisa starb und begraben ist), deutet auf eine Verleihung von
Seiten der Domverwaltung und auf die Absicht, ihn bleibend zu fesseln.