Niccolö
Pisano
als
Baumeister.
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bis- in das Kreuzschiff und so weit vorgerückt, dass die Leiche
des Heiligen aus der alten Kirche in eine, jedoch nur provisorisch
dazu bestimmte Stelle der neuen übertragen werden konnte. Die
alte Kirche S. Maria wurde nun, so Weit sie dem neuen Bau hin-
derlich war, abgebrochen, und derselbe schritt vermittelst einer
ziemlich bedeutenden Summe, welche die Commune jährlich bis
zur Vollendung beizustenern versprach, rasch weiter, so dass das
gewaltige Gebäude im Jahre 1307 im Wesentlichen und 1350
sogar mit Inbegriff der zwei schlanken Glockenlhürmetund der
vorderu sechs Kuppeln vollendet war. Die siebente niedrigere
Kuppel wurde erst viel später hinzugefügt ü). Vasari schreibt den
Plan dieses Gebäudes, wie so vieler andrer, dem berühmten Bild-
hauer Niccolö Pisano zu, und noch immer folgen italienische
Schriftsteller dieser Angabew). Allein Vasari ist für diese ältere
Zeit und besonders für die Baugeschichtc, durchaus unglaubwür-
dig; fast in allen Fällen, wo man Urkunden entdeckt hat, sind
seine Behauptungen widerlegt und auch da, wo es an bestimmten
Beweisen fehlt, zeigt doch sein Vortrag, dass er nur von ganz
unsichern Vermuthungen ausgegangen. Es war verhängnissvoll,
dass er seinem YVerke die biographische Form gab, und doch
damit in Zeiten hinabstieg, wo nicht bloss das biographische
Material völlig fehlte, sondern auch die Kunstiibung noch gar
nicht den persönlichen Charakter hattewm). Indem ihm nun aus
diesen frühen Zeiten die Namen Weniger Meister bedeutungsvoll
entgegenklailgen, entstand bei ihm die Vorstellung, dass diesen
alle oder doch die bedeutendsten Bauwerke ihrer Zeit zuzuschrei-
i] Vergl. über alle diese Daten des Padre Bern. Gonzati, Basilica di S. An-
tonio, Padova 1852, 2Vol. fol. mit vielen Abbildungen und Urkunden; eine
sehr vollständige, kritische Monographie, vielleicht die beste, deren irgend
eine italienische Kirche sich erfreut.
im] S0 unter Andern Cicognara und selbst der sonst kritische Gonzati.
Man entschliesst sich in Italien nicht leicht, auf den Klang eines berühmten
Namens zu verzichten.
Schon Rumohr, Ital. Forsch. II. 158 macht mit Beziehung darauf,
dass Vasari dem Niccolö und andern Meistern seiner Zeit oft die Zeich-
nung von Gebäuden beilegt, darauf aufmerksam, dass in den italienischen
Freistaaten des Mittelalters, wie die Urkunden ergaben, beträchtliche Bau-
werke niemals ganz nach einem Plane durchgeführt wurden.