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Italienische
Gothik.
Principien, was eine strenge Auffassung erzeugte, die an die des
Romanischen oder des Uebergangsstyles der nordischen Länder
erinnert. Einige Male steigerte sich diese Strenge so weit, dass
Gebäude aus der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts den nor-
dischen des XII nahe stehen, und durchgängig wurde das Eck-
blatt, das bekanntlich bei uns mit dem Eintreten der Gothik ver-
schwindet, um nie wieder zu kommen, im XIV. Jahrhundert eine
beliebte Form. Es war auch hier wie im Norden ein Uebergangs-
styl, eine Mittelstufe zwischen gothischen und antiken Tendenzen,
nur dass sie hier nicht den Hinweg zu jenen, sondern den Rück-
weg zu diesen bildete. Auch diese Erscheinungen tragen aber
nicht den Charakter eines regelmässigen, chronologischen Her-
ganges, sondern zeigen sich je nach der Neigung der einzelnen
Meister oder Bauherren bald früher bald später. Ueberhaupt bringt
die Einführung des gothischen Styls nur in sehr äusserlichem
Sinne eine grössere Gleichförmigkeit hervor, während sie in
Wahrheit die Selbstständigkeit der künstlerischen Individualität
nur steigerte. Die Uebertragung fremder Formen in die Sprache
einheimischer Anschauung erregte Zweifel und Fragen, die bei
dem schon bestehenden Mangel an Schulzusammenhang unend-
lich verschiedene Lösungen bekamen und so die Mannigfaltigkeit
der Ansichten nur steigern konnten, während zu gleicher Zeit
durch die wachsende Kunst- und Prachtliebe der Städte auch das
Bedürfniss nach künstlerischen Kräften und daher das Ansehen
der Künstler in hohem Grade wuchs.
Indessen war man noch weit von der Ueberschätzung der
künstlerischen Selbstherrlichkeit, Welche später eintrat. Die Ur-
kunden lehren uns vielmehr, dass in dieser Zeit noch alle wich-
tigen Baupläne Gegenstand vielfacher Berathungen waren. Bevor
eine Commune oder ein Fürst den Bau begann, rief man eine
Zahl sachkundiger Meister zusammen, forderte die Vorlegung
von Entwürfen und Modellen und entschied sich für einen der-
selben, aber immer vorbehaltlich anderer, späterer Beschlüsse, die
dann stets wieder Gutachten andrer beim Bau beschäftigter oder
unbetheiligter Meister voraussetzten. Aber eben diese Discussio-
nen, bei denen dann doch zuletzt die künstlerische Sachkenntniss
und das Vertrauen, welches die Meister sich erworben hatten, den