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Italienische
Gothik.
Suchtellii). Aber auch sie brachten es dabei so wenig zu einer
consequenten Bildung, dass in der That jene rundbogigen Portale
die Eigenthümlichkeiten der italienischen Gothik am bestimm-
testen und liebenswürdigsten aussprechen.
Bei der Facade war das nordische System nicht anwend-
bar, weil es die Verbindung des 'l'hurms mit der Kirche oder
dqch einen durchgeführten Verticalismus voraussetzte; und ein
glndres kam nicht zu Stande. Es herrschte hier vielmehr die
Wäusserste Willkür. Die ältere Pisaner Schule hatte doch eine
RUebereinstimmung der Vorderseite mit dem übrigen Gebäude er-
strebt und erreicht, die Architekten der gothischen Epoche glaub-
ten sich dieser Rücksicht überhoben und behandelten die Schau-
seite des Gebäudes als eine ganz isolirte Leistung ihres decora-
tiven Talents. In vielen Fällen blieb sie unausgeführt; man be-
gnügte sich anfangs, die Vorderwand roh anzulegen, um ihr nach
Vollendung des ganzen Gebäudes mit voller Musse und unge-
theilten Kräften eine glänzende Marmorbekleidung zu geben und
verschob dies so lange, bis der Baueifer erkaltet oder die Herr-
Schaft des gothisehen Styls vorüber War. Schon dies Verfahren
[ist charakteristisch; unsere gothisehen Dome sind zwar grossen-
theils nicht völlig vollendet, aber jeder baulich ausgeführte Theil
hat Wenigstens der Anlage nach seine Decoration , da sie eben
aus der Construction hervorgeht; hier baute man die Vorderseite
zwar soweit auf, dass sie den Zweck des Abschliessens erfüllte,
aber als eine rohe Backsteinwand wie eine leere Tafel, auf welche
eine Facade in beliebigem Style eingeschrieben werden konnte.
Aber auch unter den wirklich ausgeführten Facaden herrscht eine
so grosse Mannigfaltigkeit, dass sich kaum eine allgemeine
Uebersicht geben lässt. Viele haben nach altlombardischer WVeise
breite F rontmauern, Welche die Seiteuschilfe ganz ignoriren und
einen flachen und breiten Giebel bilden, ebenso viele geben dem
Mittelban einen selbstständigen Giebel und den Seitenschiffen
angelegte Halbgiebel, aber selten in der wahren Dachhöhe, son-
dern meistens höher. ln einigen, aber verhältnissmässig seltenen
Dies that Giotto bei der von ihm angefangenen.
gebrochenen Faqade des florentiner Domes.
bekanntlich
1588 ab