Grundverhältnisse
und
Profilirung.
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des Mittelschiffs wie das Ulmer Münster (129') und fast dieselbe
wie die Kathedrale von Amiens, aber er ist weit entfernt, den
Eindruck des Schlanken und Luftigen zu machen wie diese, und
giebt eher das Gefühl der Oede und Leere.
Die Plananlagen sind meistens einfach. Einschiffige Kirchen
kommen oft in bedeutender Grösse vor, fünfschiffige sind von
höchster Seltenheit, bei Weitem die meisten dreischiffig mit einem
doch wie gesagt nur wenig höheren MittelschiHe. Das Querschxff
fehlt fast nie, aber der Chor ist nur in äusserst wenigen Fällen mit
Umgang und Kapellenkranz versehen, fast immer mit einfachem
polygonem Schlüsse, häufig aber auf jeder Seite von mehreren, mit
ihm in einer Flucht liegenden kleineren Kapellen begleitet. Diese
Form, welche die Cistercienser eingeführt, ist hier auf alle Mönchs-
orden übergegangen und selbst bei städtischen Kirchen?) nicht
verschmähet. Neben diesen einfachen Plananlagen finden sich dann
aber auch andre sehr complicirte, namentlich solche, bei denen
der Mittelraum der darauf ruhenden Kuppel entsprechend statt
der quadratischen eine polygone sechs- oder achteckige Gestalt
annimmt. Rund- oder Polygonbauten kommen nur als Baptisterien
vor. Die Gewölbe endlich sind (wo nicht Kuppeln eintreten) nur
einfache Kreuzgewölbe; der italienische Geschmack verwarf, Wie
es scheint, alle die complicirten Wölbungsarten, denen der Nor-
den so viel Studium widmete, die Stern-, N etz- und Fächerge-
wölbe, mit vollster Entschiedenheit. Das einzige bekannte Bei-
spiel eines Sterngewölbes ist auf der Vierung der Kirche 'l'rinita
de, Monti in Rom, die eine Stiftung KarPs VIII. von Frankreich
und auf Kosten desselben, wahrscheinlich durch französische Mei-
ster, gebaut ist.
Noch Weniger wie das Innere gleicht das Aeussere dem
der nordischen Bauten. Wer die durchgeführte Consequenz ver-
ticaler Construction, die Strebepfeiler mit ihren tiefen Schatten, die
hochgeschwungenen Strebebögen, das durchgehende Aufwärts-
streben aller Theile mit seinem höchsten Ausdrucke im Thurm-
bau an italienischen Kirchen sucht, fühlt sich völlig getäuscht.
Der Thurm, nach alter Gewohnheit senkrecht aufsteigend und
meistens rechtwinkelig schliessend, blieb von der Kirche getrennt
t) Sie findet sich z. B. am Dome zu Prato, Grundriss bei Lübke, MitthV 173.