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Italienische
Architektur.
Die beiden Seitenportale sind ungleich, das südliche ist sogar
höher als das Mittelportal; diese Portale sind von sehr zarter Aus-
führung, während das Badfeilster darüber sehr derb behandelt
und dabei im Durchmesser fast eben so gross wie das Mittelportal
ist, so dass es schwer auf demselben lastet. Es ist vollkommene
Anarchie; jeder der ausführenden Meister hat in seiner Art etwas
Schönes und Anziehendes geliefert, aber keiner sich um den an-
dern gekümmert. In der Ornamentation mischen sich verschiedene
Elemente, neben antiken Rundstämmen und prächtigen Akanthns-
blättern kommen Ringsäulen, Dambrettmuster, spröde Zick-
zacklinien, die an normannische Bauten erinnern, und dann wieder
byzantinisch-orientalische Yersclilingungen vor. An der Facade
der andern alten Kirche der Stadt, S. Pietroik), sind dieselben
Motive regelmässiger ausgebildet, auch ist sie durch einen Giebel
gekrönt, aber die Verhältnisse sind ganz ähnlich und die Sculptur
enthält dieselben divergirenden Elemente.
Dass hier wirklich auch ein fremder Einfluss zum Grunde
liegt, ergeben die Bauten von C orneto, namentlich die Kirche
S. Maria di Ca stello , welche nach den Inschriften zwar schon
1121 gegründet sein soll, aber ihre jetzige Gestalt gewiss erst in
der zweiten Hälfte des Jahrhunderts erhielt und 1'208, also unge-
fähr gleichzeitig mit S. Maria von Toscanella, geweiht wurde.
Um so mehr fällt ihre gänzliche Verschiedenheit von derselben.
ja von allen Kirchen dieser Gegend auf. Sie ist nämlich völlig
überwölbt, auf einer Stelle mit einer ovalen Kuppel, sonst durch-
weg mit fast qundraten, rundbogigen, mit schweren rechtwinke-
ligen Rippen versehenen Kreuzgewölben, wie die lombartlischeir
Kirchen, mit denen sie aber sonst nichts gemein, sondern einen
sehr eigenthümlicheix Charakter hat. Gleiche, viereckige, ziemlich
eng gestellte Pfeiler, auf starkem Kämpfergesimse durch über-
höhete, eingekerbte Rundbögen verbunden, scheiden die Schiffe
und tragen in den Haupt- und Seitenschiflizn mittelst der Vorlage
eines starken Pilasters mit zwei diagonal gestellten Rundsäuleil
die Gewölbrippen. Aber wunderlicher Weise ist auch an den
Zwisehenpfeilern des Mittelschiffes eine Halbsäule von gleicher
Höhe mit jenen Gewölbdiensten vorgelegt, deren Kapitäl, da hier
Ü) Gally Knight I. 36.