Toscanella.
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nach einer durchgreifenden Erneuerung geweiht, zeigt sie noch
ganz den Charakter einer Säulenbasilika mit halbkreisförmiger
Chornische und offenem Ilachstuhle, aber zugleich den Versuch,
diesen Typus mehr zu beleben und dem neuern italienischen Ge-
fühle zugänglicher zu machen. Der Weg, den der Meister ein-
geschlagen, unterscheidet sich aber Wesentlich von dem der tos-
canischen Schule, ist einfacher, roher, erstrebt die Verbindung der
Theile nicht durch constructive Mittel, sondern nur durch decora-
tiven Reichthum. Schon die Basis der Säulen steht auf verzierter
Plinthe und hat das in Rom fast unbekannte Eckblatt, die Kapitäle
sind alle gleich, korinthisirend und tragen mittelst einer verzierten
Deckplatte Bögen, Welche äusserlich mit reicher Einfassung und
sogar in der Unteransicht cassettenartig geschmückt sind. Darüber
noch ein Gesims mit plastisch verzierteniConsolen. Es sind also
durchweg antike Motive, und die vortreffliche Arbeit des Meissels,
mit der ausser den architektonischen Theilen auch die Kanzel, das
'I'aufbecken, das Tabernakel des Altars bedeckt sind, entspricht
ganz der römischen Schule. Aber doch hat das Ganze einen
fremdartigen Ausdruck; die antiken Motive sind nicht in antikem
Geiste und mit der ruhigen Anmuth behandelt, wie in Tos-
cana; die Form ist schwerer und stumpfer, die Protilirung mehr
der sonstigen mittelalterlichen verwandt, die Ornamentation der-
ber, zum Theil phantastisch und bizarr, aber auch lebloser. Die
höchste Pracht ist auf die Facade verwendet, welche mit drei
mehr oder weniger tief eingehenden, mit Säulen und Sculpturen
geschmückten Portalen, mit einem gewaltigen Radfenster und
einer Zwerggallerie, mit Consolen und; Rundbogenfriesen und
zerstreutem Bildwerk ausgestattet und in allen diesen Theilen von
reichster Ausführung ist. Aber das Ganze erscheint doch nur
wie ein loses Aggregat, ohne innere Einheit. Zum Theil mag
dies an der allzugrossen Breite der Seitenschiffe und überhaupt
des Ganzen im Verhältniss zur Höhe liegen, zum Theil daran,
dass die Ausführung des Giebels unterblieben ist und die Mauer
des Oberschiffs rechtwinkelig mit einem Consolen Gesimse
schliesst. Dies giebt den Ausdruck des Unvollendeten und lässt
die grosse Fläche, ungeachtet aller Zierden, leer erscheinen. Dazu
kommt dann noch, dass kein Theil völlig zu dem andern passt.