Basiliken
Roms.
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die erste beider Kirchen, Wo schon das überkräftige Verhältniss
der wahrscheinlich aus dem alten Bau übernommenen herrlichen
ionischen Säulen, dann die Vermehrung ihrer Zahl durch Ein-
fügung korinthischer, endlich die Anordnung des 'l'riumphbogens,
der auf zwei vertretenden gewaltigen korinthischen Säulen von
rothem Granit vermittelst eines reich verzierten antiken Gebälk-
stückes ruht, ungeachtet der Gravität der altchristlichen Anlage
Anklänge romantischer, ritterlicher Empfindung zeigt. S. Criso-
gono macht einen ruhigeren Eindruck, aber auch hier tragen die
prächtigen Granit- und Porphyrsäulen, wie in S. Maria, statt der
Bögen grades Gebälk. Dies kommt auch sonst jetzt häutiger vor,
so an der Vorhalle in S. Vincenzo alle tre fontane, laut Inschrift
von 1140, und in der von S. Giorgio in Velabro, wo die bessere
Aufführung auf das XIII. Jahrhundert schliessen lässt f).
Dieser Wiederaufnahme antiker Formen lag nun freilich kein
tieferes Studium zum Grunde; mit den alten Römern in der
Grossartigkeit der Construction, im Adel der Verhältnisse zu
wetteifern, fiel ihren Nachkommen nicht ein. Eine Stadt, in der
die Grossen noch gern in antiken Grabmonumenten oder 'l'heatern
wohnten, wo man überhaupt nur mit alten Fragmenten baute, War
keine Schule für Architekten. Wohl aber erzeugten die Verhält-
nisse eine blühende Schule des Kunsthandwerks. Rom galt seit
alter Zeit als eine Fundgrube verarbeiteten Marmors, aus der die
Baulustigen ilaher und entfernter Gegend sich versorgten im), und
es war natürlich, dass es ein Geschäftszweig wurde, die edeln
Steine aus den Trümmern hervorzusuchen und ztveckmässig zu
verwenden. Die römischen Künstler waren daher weder Bau-
meister noch Bildhauer, sondern, wie sie sich selbst nannten, Mar-
morarii, marmoris arte periti; der Marmor war nicht bloss Mittel,
sondern Zweck, es kam darauf an, ihn so zu benutzen, dass er
in stofflicher Beziehung den Gebäuden zur Zierde gereiche. Da
der Kirche. Das Maasswerk der rundbogigen Oberlichter rührt aus einer
spätem Reparatur vom Ende des XIII. oder vom XIV. Jahrh. her.
i") Vgl. die Vorhalle von S. Georgio bei Gailhabaud Band II., die andern
genannten Gebäude (mit Ausnahme von S. Criscgono) bei Gutensohn und
Knapp Basiliken. Die Inschrift in S. Giorgio giebt leider keine chronologische
Bestimmung.
Vgl. das Beispiel von Monte Cassino. Bd. IV. Q. P' 54?-