Frühe
toscanische
Schule.
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Schule, durch die von Pisa verdunkelt, welche, den Vorgang
jener andern benutzend, ebenfalls durch den Glanz farbenreicher
Marmorhekleidung anzog, zugleich aber durch den kräftigeren
Schmuck freistehender oder stark ausladender Säulen, durch einen
mehr plastisch anschaulichen Grundplan und durch kühn aufstre-
bende Kuppeln imponirte. Wie das Prachtwerk dieser Schule,
der berühmte Dom von Pisa, die Phantasie anregte und in welcher
Richtung er wirkte, beweisen schon die beiden bald darauf in sei-
ner Umgebung aufsteigenden Bauten, das Baptisterium und
der viel besprochene schiefe Thurm, mit denen wir die Bauge-
schichte des gegenwärtigen Zeitraums beginnenk).
Das Baptisterium, laut im Innern exithaltener Inschriften
im Jahre 1153 gegründet und das Werk eines gewissen Dioti-
salvimk), ist ein ziemlich complicirter Kuppelbau. Innerhalb der
Schluss des XII. Jahrhunderts. Beide werden zu der späten Datirung durch
die Voraussetzung bestimmt, dass Feiner-es nothwendig erst dem Gröberen
folgen müsse. Allein so abstract darf man diese Regel nicht fassen, es kommt
ebensowohl vor (die Renaissance giebt das unzweifelhafte Beispiel dafür], dass
das Zarte und Geschmackvolle durch das Kraftstrotzende, Willkürliche ver-
drängt wird, und dass einer idyllischen Milde ein gewaltsam phantastisches
Wesen folgt. Burckhardt a. a. O. bemerkt es selbst als auffallend, "dass auf
ein Facadensystem wie das der genannten Kirchen eine solche Missbildung habe
folgen können wie die Vorderseite _der s. g. Pieve von Arezzo". In der That
leg ein grösserer Zeitraum dazwischen, und jene milde Schule, die überdies
nur in geringem Umfange und eine kurze Zeit hindurch wirkte, war schon
lange ausgestorben, ehe Marchione (oder wie der Meister von Arezzo heissen
mochte) sich zu diesem Non plus ultra bizarrer Kraftäusserung steigerte.
m) Dem neuesten und zugleich in gewisser Weise vollständigsten Werke
über die Baukunst in Italien, der: Storia delP Architettura in Italia. del
Secolo IV. al XVIII. des Marehese Amico Ricci, Modene 1857 ff. 3 Bände 80,
fehlen leider alle Abbildungen und selbst richtig leitende Grundsätze. Ausser-
halb Italiens ist der Verf. auch mit der Literatur nur sehr oberflächlich bekannt
und in seinem eignen Vaterlande gehn seine eignen Anschauungen nicht sehr
weit oder doch nicht sehr tief. Selbst beim Gebrauch der ihm vorliegenden
Quellen verfällt er einige Male in recht grobe Missverständnisse. Aber er hat
die italienische Literatur, die Guiden und andre Localschriftsteller ileissig be-
nutzt und darf nicht übergangen werden.
M) Die Inschriften: MCLIII. Mensa Aug. fundata fuit haec ecclesia, und:
Deotisalvi magister hujus operis, stehn an verschiedenen Seiten eines Pfeilers.
Man schreibt dem Diotisalvi auch die Kirche S. Sepolcro in Pisa zu; allein die
Inschrift: Hujus operis fabricator Deustesalvet nominatur, steht nur am Cam-
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