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Italienische
Architektur.
Italien gar nicht sprechen; das Romanische ist hier nicht Styl,
sondern Natur, die sich auch in der italienischen Form der Go-
thik Wieder geltend machte. Scharf gesonderte Epochen entstan-
den daher nicht, die Geschichte hat mehr den Charakter eines
gleichmässigen sehr ruhigen Verlaufs, bei dem das Interesse
mehr in den Aeusserungen des individuellen Geistes als in allge-
meinen Fortschritten beruht. Die chronologische Bestimmbarkeit
ist daher sehr geringe und es giebt Fälle, wo längst veraltete
Formen wieder in vereinzelte Anwendung gebracht sind.
Wichtiger ist das geographische Element. Es giebt Gegen-
den, wie Venedig, welche einen bleibenden baulichen Local-
charakter haben, der sich ebenso unverändert erhält, wie das all-
gemeine italienische Raumgefühl. Es giebt andere, wie z. B. Tos-
cana, WO ohne solche natürliche Verschiedenheit das städtische
Leben so rege war, dass jede grössere Stadt bauliche Eigenhei-
ten und also gewissermaassen einen eigenen Styl ausbildete, der
sich wiederum lange erhielt. Allein diese Localgewohnheiterl sind
eben nur Erscheinungen des herrschenden Individualgeistes in
grösserenl Maassstabe, während derselbe andrerseits die Bildung
von wirklich künstlerischen Provinzialschulen erschwert, und
namentlich vom Beginn des XIII. Jahrhunderts an die wechselnde
Kunstliebe es mit sich bringt, dass berühmte Meister in ganz
Italien begehrt und herbeigerufen werden und so ihren VVirkungs-
kreis weithin ausdehnen und zum Erlöschen der provinziellen Be-
sonderheiten mitwirken. Nur eine Grenzscheidung ist wie in po-
litischer so auch in künstlerischer Beziehung von bleibender
Wichtigkeit; die zwischen der monarchisch regierten und orien-
talisch ruhigen, südlichen Region und dem übrigen, mehr von
nordischen Einflüssen berührten und überwiegend freislädtischen
Italien. Dieses ist eigentlich allein thätig und Vorangehend, der
ausschliessliche Träger der Geschichte, jenes nur der empfangende
und die dort erzeugten Formen mit schwachen Moditicationen
aufnehmende Theil, und es erscheint zweckmässig, beide auch in
unserem Vortrage zu trennen und Süditalien erst zuletzt in raschem
Ueberblicke des ganzen Kunstgebietes zu betrachten.
In dem Zeitpunkte, wo wir die Baugeschichte wieder aufzu-
nehmen haben (1150) zerfiel diese nördliche Hälfte Italiens in drei