Trachten.
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tastischen Llebermuthes gaben. Man kann sich daher nicht wun-
dern, wenn Froissard es gern ansmalt, wie Banner und Fähnlein
flattern, Ritter und Knappen in leuchtenden und zierlichen Rü-
stungen über das Feld sprengen, Pferde mit reichen WVappen-
Stickereien vorbeigeführt werden; wenn er dann prüfend und 1nit
Kennermieiie hinzufügt, dass es von grosser Schönheit und un-
tadelhaft gewesen 44],
Allerdings sind die 'l'rachtex1 dieser Zeit, sowohl die ritter-
lichen wie die der Bürger, keinesweges durchgängig geschmack-
voll oder auch nur zweckmässig; die Schnabelschuhe, die ellen-
langen, bis zur Erde herabhängenden Ileberärmel, die Farben-
verschiedenheit der beiden Körperhälften sind geradezu hässlich
und verkehrt, die vielen ausgezackten Ränder der Kleider, die
Buntfarbigkeit der Muster, der Ueberfiuss an goldenen und sil-
hernen Zierrathen, mit denen sich die Frauen und die Vor-
nehmen behängten, gaben der Erscheinung einzelner Gestalten
etwas Unruhiges und Ueberladexies. Indessen War doch meist
dafür gesorgt, dass die Körperform deutlich hervortrat, so dass
sich jene Uebertreibungen als Zusätze und Anhängsel von ihr
ablösten und, wenn auch an sich weder einfach noch edel, doch
durch ihre Art und Gßestaltung, Ausdehnung oder Beschränkung
den Vortheil individuellen Ausdrucks gewährten. Mag daher
diese Tracht das Gepräge von Sinnlichkeit und Eitelkeit, Hof-
fahrt und bizarrer Willkür tragen, sie ist jedenfalls weder plump
noch langweilig und musste bei Versammlungen grosser Men-
schenmassen den Eindruck eines jugendlichen, lebensfrohen
Wesens, ein heiteres, glänzendes Bild geben, das nicht blos das
Auge, sondern auch den Sinn beschäftigte, indem sie ihm die
Verschiedenheiten der äusseren Verhältnisse, namentlich der
vielgetheilten Gewerblichkeit, und selbst der Charaktere lmd
Lebensansichten in scharfer Ausprägung verführte.
Und an solchen X7ersammlungen buntgesclnnückter Men-
schenmassen war kein Mangel; derselbe Trieb, welcher diese
Gestaltungen der Tracht erzeugte, brachte auch eine Festlust
hervor, wie sie kaum in anderer Zeit, Wenigstens nicht so auf-
Ü Livre I, eh. 93. Certes cäitoit de grande beaute que de voir sur les
champs bannieres et pennons ventiles que rien n'y avait ä amender.
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