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Weltleben.
Tracht älterer Frauen, theils als festlicher Schmuck, bei welchem
der Stoff und die Art des Tragens Reichthum und Stand be-
zeichnen konnten. Auch der Schnitt der Haare wechselte; bald
trug man sie lang; wogegen die Kirche früher so sehr geeifert
hatte, bald kurz geschnitten; die Frauen fassten die langen; wal-
lenden Haare in Flechten zusammen, Welche heruuterhingeti oder
um die Ohren gelegt wurden; die Männer erschienen mit
"Krollen" ; dicken Locken; über den Ohren. Dagegen kam das
Tragen des Bartes fast ganz ausser Gebrauch; Fürsten und
Ritter wenigstens sind auf ihren Grabmälern durchweg rasirt.
Die Fussbekleidung war zwar ein Mal vorübergehend stumpf,
aber im Ganzen erhielt sie sich spitz und ging endlich in die be-
rüchtigten Schnabelschuhe (poulaines) über; deren Spitzen sich
zu so monströser Höhe erhoben; dass man sie zuletzt; um nicht
am Gehen gehindert zu sein; mit silbernen Ketten am Beine be-
festigte Noch wunderlicher und renommistischer war dann
die Sitte; sich mit Schellen und Glöckchen zu behängen; welche
am Gürtel; dem ,;Dusing" ; oder an einem um die Schulter hän-
genden Bande befestigt ; jede Bewegung verkündeten. Herren
und Damen trugen sie; anfangs jedoch; wie es scheint; nur die
der vornehmen Gesellschaft; bis sie am Anfange des fünfzehnten
Jahrhunderts auch in den ehrbaren städtischen Kreisen Zugang
fanden. Bezeichnend ist; dass schon während ihrer Blüthezeit
(1381) ein Graf von Cleve eine Geckengesellschaft stiftete; bei
deren Versammlungen jedes Mitglied möglichst mit Schellen
ausgestattet und deren Ordenszeichen ein Narr mit Schellen war;
so dass der Humor diese übermüthige 'l'racht gleich von ihrem
Entstehen begleitete.
Uebrigens Waren auch sonst alle Missbräuche der Eitelkeit
im Gange; Schminke; die freilich fast keinem Zeitalter ganz un-
bekannt war; wird häufig gerügt; junge Stutzer liessen sich
Locken brennen; und neben den Schnabelschuhen der Männer
1'] Ein englischer Chronist erzählt dies ausdrücklich; man 'nannte sie
übrigens hier Cracowys oder Pykis und hielt sie für böhmischen Ursprunges.
Pauli, Gesch. von England, IV, 651. Vgl. oben Bd. IV, Abth. Q, S. 32; es
ist sonderbar genug, dass diese unnatürliche und unbequeme Tracht wieder-
holt im Mittelalter in Gebrauch kam.