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monie. Es mag dahin gestellt sein, 0b dieses unser Tonsystem
das einzig natürliche, oder nur uns zur andern Natur geworden
ist, aber jedenfalls ist es minder willkürlich und conventiouell
wie jene antiken 'l'onarten, und verhält sich zu diesen wie die
einfache und dennoch so reiche, dem Einen Gotte gegenüberste-
hende Natur zu den vereinzelten N aturgöttern. Die Christen der
ersten Jahrhunderte ahneten dies indessen nicht und übernahmen
mit anderen 'l'raditionen der antiken Welt auch ihre 'l'onarten, um
darin ihre feierlichen, zum Theil auf uns gekommenen Hymnen
zu singen. Daneben fanden aber auch hebräische Psalmen Ein-
gaug in die Kirche, und theils diese theils die Regungen des er-
Wachenden specifisch christlichen Gefühls veranlassten schon
Gregor den Grossen, die Zahl jener alten Tonarten, aber doch
noch in einer den Bildungsgesetzen derselben entsprechenden
Weise, zu vermehren. Auch die germanischen Völker brachten
nun aber andere Tonweisen und Instrumente und überhaupt eine
eigenthümliche musikalische Auflassung mit, von der wir freilich
nur sehr unvollkommene Nachrichten haben, die aber ohne
Zweifel mit den antiken Traditionen in Conflict kamen und in
der allgemeinen Verwilderung dazu beitrugen, auch auf diesem
Gebiete eine Gährung hervorzubringen, in der, aber nur sehr all-
mälig, die Grundlagen unseres neuen Tonsystems sich bildeten.
Schon in den kunstlosen Melodien der Troubadours werden sie
zum Theil stillschweigend vorausgesetzt; der Gegensatz von
Dur- und Moll-Tonleitern, unsere modernen Ausweichungen,
lassen sich bei ihnen erkennen. Aber erst im vierzehnten Jahr-
hundert wurden diese Neuerungen wissenschaftlich erörtert und
die Regeln, wodurch nach unseren Begriffen reine Accorde und
Harmonienfolgen gebildet werden, hauptsächlich durch die Au-
torität zweier Schriftsteller, des Marchettus von Padua und des
Johannes de Muris, der in Paris lebte, festgestellt, und sofort
begann nun auch die Ausbildung des contrapunktischen Ge-
sanges, der wahren Grundlage weiterer musikalischer Entwi-
Ckeluag- Erst jetztalso, wo die bildende Kunst ihre zweite, der
Antike am meisten abgewendete Epoche schon fast beendet hatte,
sagte sich die Musik völlig von ihr los, um nun auf völlig
christlicher Grundlage zu beginnen; in dieser Beziehung bildet