Fraterhäuser.
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Klöster ohne äusseren Zwang und äusseren Dienst, ohne Besitz
und ohne den Ehrgeiz geschlossener Körperschaften, Familien
ohne natürliche Beziehungen und Weltliche Wünsche, mit dem
Ernst einer frommen und männlichen Genossenschaft. Als tüchtige
Schulen wissenschaftlicher Bildung und wegen ihrer sittlichen
Haltung wurden diese Brüderhäuser so beliebt und gesucht,
dass sie bald fast in allen bedeutenden Städten desnörtllichen
Deutschlands bestanden und sich bis in den Anfang des sechs-
zehnten Jahrhunderts erhielten. Neben ihnen und in Verbindung
mit ihnen standen ähnliche Schwesterhäuser und dann auch Klö-
ster regulirter Chorherren, in deren einem Thomas von Kem-
pen lebte. Auch bei diesem ist derEinfluss jener oberdeutschen
Mystiker noch erkennbar, er braucht ähnliche Worte, fordert
Einziehung der Sinne, gänzliches Ausgehen aus sich selbst.
Aber das sind ihm nicht mystische Gedanken, sondern sittliche,
erreichbare Aufgaben, "Sinnenhut und Herzenshut", damit die
eiteln und unreinen Bilder der Welt nicht eingehen und die Seele
ungestört nach innen blicken könne. Den XVerth des äusseren
praktischen Lebens schlägt er sehr hoch an; als er zum Schaff-
ner seines Klosters ernannt ist, betrachtet er in seinen Aufzeich-
nungen den Segen solches Amtes, da niemand wisse, wie es
innerlich um ihn stehe, Wenn er sich nicht mit zeitlichen Dingen
abgebe; nur solle Maria nicht neben der Martha vernachlässigt
werden. Auf den Wunsch seiner Ordensbrüder hat er das
Leben einer Zeitgenossin, Lidowina, beschrieben, die auf drei
und dreissigjährigem Krankenlager durch fromme Geduld und
thätige Menschenliebe, aber auch durch Gesichte und Extasen
Bewunderung erregte inid für heilig gehalten wurde. Aber er
will das Urtheil über diese Erscheinungen Reiferen überlassen
und schliesst damit, dass die Gebete der Demüthigen Gott und
dieser heiligen Jungfrau besser gefielen, als das Ergrübeln von
Höherem oder das unverständige Schwatzen von den Geheim-
nissen Gottes. Sich selbst sagt er bei asketischen Uebungen,
dass Gott nicht die Zerstörimg des Leibes, sondern die Bezwin-
gung sündlicher Neigungen fordere. Statt jener dunkelen An-
fordernng gänzlichen Entwerdens giebt er also die Anweisung
zu der sittlichen Arbeit der Selbstüberwindung, an die Stelle