Die
niederdeutschen
Mystiker.
51
anderen Münster sei kein Leid geschehen. Er ermahnt ihn
daher, kein Gewölbe, sondern eine Bühne von blassen Dielen zu
machen. Den Bildern dagegen scheint der strenge Gottesfremid
Weniger abgeneigt, wenigstens deutet die oben erzählte Vision
von den Altären der elftausend Jungfrauen und der Märtyrer
ihrer ganzen Fassung nach auf einen bildlichen Schmuck hin.
Suso spricht sich geradezu darüber aus; ein bewährter Gottes-
freund solle allezeit etwas guter Bilder haben, davon sein Herz
zu Gott entzündet werde. Eine Kapelle in seinem Kloster, zu
der er besondere Andacht hatte, liess er ausmalen, wie es scheint
in umfassender Weise, denn er spricht von Darstellungen der
ewigen Weisheit, der Altväter (wohl Patriarchen und Pro-
pheten), des köstlichen Rosenbaumes zeitlighgn Leidens, und
endlich des nicht näher bezeichneten Baumes „des Unterschiedes
zeitlicher und göttlicher Minne"
Von dieser oberdeutschen Mystik unterscheidet sich die
niederdeutsche Schule, welche uns in ihrem bedeutendsten
Repräsentanten Thomas von Kernpen näher bekannt ist, durch
eine schlichtere, verständigere Auffassung derselben Sätze. Als
Stammvater derselben können Wir Johann Ruysbroek (1293
1381), Priester zu Brüssel und nachher in dem benachbarten
Kloster Groenendal betrachten. Er War mit Tauler persönlich
bekannt, und vielleicht wie er ein Zuhörer Eckhardtis gewesen,
an dessen Theorie er sich im VVesentlichen anschliesst. Seine
zahlreichen Schriften haben fast dieselbe poetisch-allegorische
Färbung und athmen dieselbe Liebesgluth, wie die von Suso;
auch wirkte er, wie dieser, besonders unter dem weiblichen Ge-
schlechte wid hatte zahlreiche geistliche Töchter. Verzückungen
und Gesichte kommen auch bei ihm vor, obgleich seltener, und
sein Leben ist stiller, klösterlicher, ohne Zusammenhang mit den
grosscil Ereignissen der Zeit. Bei seinen Nachfolgern verlor
sich der schwärmerische Anflug noch mehr. Gerhard Groot
von Deventer (geb. 1340), der als Kanoniker in Aachen und
Utrecht köstlich lebte und reich mit Pelzwerk und Silber ge-
schmückt einherstolzirte, verzichtete plötzlich auf seine Prä-
Böhringer a.
327, 34a.