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Religiöse
Zustände.
Träume sind freundlich und zart, einfach und licht. Sie bemühen
sich wohl, den Glanz, die Süssigkeit, die Anmuth der Erschei-
nung recht stark zu schildern, sie häufen die Beiwörter und
können sich kaum genügen. Aber im Uebrigerl geben sie ein
einfaches, von festen Umrissen begrenztes Bild, nichts Unge-
heuerliches, nichts Van-schwimmendes, ihr Gefühl ist über-
schwenglich, aber ihre Phantasie bewegt sich in geregelten, na-
türlichen Formen. Sie nimmt augenscheinlich einen künstleri-
schen Anlauf, und Wir werden bei näherer Betrachtung gleichzei-
tiger Malereien unwillkürlich an ihre Verwandtschaft mit diesen
Vorstellungen der Mystiker erinnert.
Es versteht sich, dass sie selbst keine Ahnung von einem
solchen Zusammenhangs: hatten und dass überhaupt von der
Kunst als solcher bei ihnen nicht viel die Rede ist; indessen finden
sich doch einige bemerkenswerthe Aeusserungen. Der Archi-
tektur sind sie nicht sehr günstig. Die Kirche des von Merswin
erkauften Klosters auf dem grünen Wörth bedurfte einmal
(1377) der Vergrösserung und sollte einen neuen Chor erhalten,
dessen Gestalt von Ruolman und dem Comthur des Hauses
näher überlegt wurde. Wie an allen Angelegenheiten der
Strasburger Brüder nimmt Nicolaus auch daran den lebhaftesten
Antheil, er lässt sich von Ruolman selbst und von seinem nach
Strasburg gesandten Boten darüber berichten und hat von
beiden erfahren, dass der Comthur einen stattlichen und über-
wölbten Chorbau beabsichtige. Darüber schreibt er diesem
drückt seinen Zweifel aus, ob das Werk wohl mit dem Rathe
des heiligen Geistes angefangen sei, und ob sich nicht bei dem
Comthur etwas verborgener "Stolzheit" einmische. Gar häufig
sehe man, dass jedes Kloster das andere im Bauen köstlicher
Münster uud gar köstlicher Chöre übertreffen wolle; aber seit
dreissig Jahren habe er in vielen Ländern und Städten wahrge-
nommen, dass Gott dies gerochen habe. Er kenne zwei in einer
Stadt nahe bei einander gelegene Münster, das eine mit einer
Bühne von hölzernen Dielen, das andere mit starken köstlichen
Gewölben; diese wären bei dem Erdbeben heruntergestürzt, dem
Gottesfreunde , S.
Schmidt ,
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