Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

Ihre 
Gleichnisse. 
Dialogische 
Form. 
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malte Bild in der Luft kleiner "gebeutelt" wird, im Auge noch 
kleiner, in meiner Kenntniss gar Eines wird, so soll es den 
Dingen der WVelt in der Seele geschehen. Wie das Wasser 
ruhig und lauter sein muss, damit es „VVieilerschlag" habe, SO 
auch die Seele, damit sich Gott in ihr spiegele. Und so hat er 
noch, gar viele Wiederkehrende Gleichnisse, von der Sonne, 
welche in den Pflanzen erblüht, von den Tageszeiten, vom Mag- 
netstein , und sofort f]. Tauler bedient sich jener abstracten Er- 
scheinungen weniger, weil die Begriffe, zu deren Erläuterung sie 
dienten, seinen Zuhörern schon geläufig sind; er nimmt seine 
Gleichnisse daher mehr aus der Mitte des Lebens, der Wein- 
stock mit seiner unscheinbaren Rinde und dem edlen Safte, 
Bilder der Schifffahrt, des Handels, der Jagd mit] werden oft von 
ihm gebraucht. Bemerkenswerth ist aber, dass beide, Eckhardt 
und Tauler, und ebenso die anderen Mystiker, ihre Gleichnisse 
immer aus der wahren, schlichten Natur, niemals, wie es im 
früheren Mittelalter gewöhnlich war, von wunderbaren, mähr- 
chenhaften Ereignissen oder naturgeschichtlichen Fabeln nehmen. 
Neben den Gleichnissen haben unsere Mystiker eine andere 
Weise, ihre Vorträge zu beleben, nämlich die dialogische 
Form. Oft lassen sie in der Predigt den Zuhörer Einwürfe 
machen, aus denen sich ein fortlaufendes Gespräch zwischen ihm 
und dem Prediger entwickelt, oft verwandeln sich auch die Be- 
griffe in Gestalten, welche dramatisch gegen einander auftreten. 
Freiere Abhandlungen sind häufig von vorn herein Dialoge fin- 
girter Personen oder personificirter Begriffe, oder nehmen doch 
unvermerkt eine solche Gestalt an. Dies begegnet selbst Meister 
Eckhardt. In einer sehr interessanten, an eine seiner geistlichen 
Töchter gerichteten Schrift, in der er ihr gute Lehren geben, sie 
auf den W eg zur Seligkeit leiten will, beginnt er mit einer ziem- 
lick trockenen Aufzählung der dazu erforderlichen Eigenschaften, 
"Ü Pfeiüer a. a. O. S. 111, 114, 137, 139, 150, 296 u. s. f. Nicht ge- 
rade anmuthig, aber treffend ist die Vergleichung der noch von sinnlichen 
Bildern ßffüllten Seele mit dem Kranken, dem Speise und Wein nicht nach 
ihrem Währen Geschmacke, sondern bitter erscheinen, weil seine Zunge sie 
durch ein Kleid oder Mittel empfängt. 
M] C. Schmidt, Johann Tauler, S. 86.
	        
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