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Englische
Kunst.
ler, welche, wenn sie davon frei geblieben wären, sie überwunden
haben würden. Im dreizehnten Jahrhundert, wo der Gegensatz
beider Volksstämme noch grösser war, hatte die Kraft der allge-
meinen, alle Völker durchdringenden Begeisterung dennoch auch
die Britten ergriffen. Jetzt aber, wo diese allgemeine Begeisterung
nachliess und die nationalen Verschiedenheiten überall stärker
hervortraten und wo gleichzeitig auch die nationale englische
Denkungsweise sich feststellte, konnten auch die Künstler sich
ihr nicht mehr entziehen. Sie suchten nach einer Schönheit,
welche ihr entsprach, und arbeiteten sich in eine Vorliebe für
abstracte, spröde Formen hinein, welches dann ferner die Folge
hatte, dass sie, wo sie höhere jugendliche Schönheit oder wär-
meres Gefühl darstellen wollten, in den abstracten Gegensatz der
gewöhnlichen Steifheit, in eine übertriebene haltungslose YVeich-
lichkeit verüelen. Gegensätze gehören zum Wesen der Kunst
wie des organischen Lebens, hier aber waren sie so weit, so
spröde gefasst, dass sie zu Widersprüchen wurden, die in der
begränzten räumlichen Erscheinung nicht mehr gelöst, nicht von
dem Stylgefühl beherrscht werden konnten, und daher den Sinn
immermehr an Styllosigkeit gewöhnten. Der künstlerische Beruf
der Britten wies auf eine andere Kunst hin, welche, indem sie die
Beweglichkeit des Lebens in sich aufnimmt, jene widerspruchs-
vollen Gegensätze in ihrer ganzen Herbigkeit ausprägen und in
einer höheren Einheit versöhnen kann. Dazu gehörten aber noch
andere Studien, Erfahrungen und Naturbeobachtungen, als sie
das Mittelalter bot, und für welche erst die weitere Geschichte
der Nation und die weiteren Fortschritte der europäischen Bil-
dung die Vorschule werden sollten.